Wie sich Temu der Politik entzieht

Offenbar verfolgt der Techkonzern eine Strategie, die er bereits auf dem US-Markt erfolgreich angewandt hat: sich Politik, Behörden, Steuern und Regeln so lange wie möglich zu entziehen und dabei maximalen Profit herrauszuschlagen. Ziel von Temu ist es, die Präsenz in Europa auszubauen, Regeln spielen für den Tech-Konzern dabei keine Rolle.

Wird Temu von China subventioniert?

Auch wenn die bei Temu anbietenden Unternehmen in China deutlich günstiger produzieren können, stellt sich bei den niedrigen Preisen die Frage, ob der chinesische Staat den Konzern in irgendeiner Weise subventioniert. Ein Interesse daran hätte er sicherlich, eine erfolgreiche Onlineplattform in Europa in Stellung zu bringen gegenüber der US-amerikanischen Konkurrenz von Amazon. Eine Studie des Weltwirtschaftsinstituts in Kiel geht davon aus, dass 99 Prozent aller börsennotierten chinesischen Unternehmen Subventionen vom chinesischen Staat erhalten.

Temus Lobbyarbeit: keine Spur

Trotz seines Expansionskurs in Europa ist der Konzern schlecht erreichbar. Zunächst fällt auf, dass Temu weder Lobbybüros unterhält noch irgendwelche anderen Lobbytätigkeiten in Berlin und Brüssel in den jeweiligen Transparenzregistern angibt. Das gilt auch für den Mutterkonzern PDD Holdings und den an der Holding mit 15 Prozent beteiligten Tencent Konzern aus China. Tencent macht zwar Angaben in den Lobbyregistern in Berlin und Brüssel. Nichts deutet jedoch darauf hin, dass der Konzern neben seinem eigenen Geschäft auch für Temu Lobbyarbeit betreibt. Auch die Firma Whaleco Technology Limited, unter der Temu in Europa angemeldet ist, weist keine Lobbyarbeit in der EU auf. Auf mehrfache Anfrage zu Aktivitäten in Deutschland von LobbyControl reagierte Temu bedauerlicherweise nicht.

Minibüro für Weltkonzern: Spur führt nach Irland

Eine brisante Spur führt nach Irland. In Irlands Haupstadt Dublin sitzt Whaleco, das eben erwähnte Unternehmen, das hinter Temu in Europa steckt. Der Firmensitz ist kein Zufall. Im Niedrigsteuerland Irland zahlt der Konzern nur halb so viele Steuern wie in Deutschland, wo die Plattform aber eigentlich deutlich mehr Produkte absetzt. Auch die meisten großen US-Techkonzerne, wie Meta oder Apple, machen sich das EU-Steuerparadies zunutze und haben deshalb ihren europäischen Sitz in Irland.

Irische Kollegen vom Irish Council for Civil Liberties haben vor Ort geschaut, wie die Büros von Temu aussehen. Das Ergebnis: ein kleines Büro scheint es dort zu geben. Was es zusätzlich gibt, ist ein Briefkasten, auf dem der Name Temu steht. Vieles deutet damit darauf hin, dass Temu an seinem europäischen Sitz in Dublin nur eine sehr kleine Dependance mit wenigen Mitarbeitern hat. Was jedoch erneut fehlt, sind zugängliche Ansprechpartner. Auch wenn man ins irische Lobbyregister schaut, fehlt jede Spur von Temu.

Hauptumschlagsplatz ist Lüttich

Der Großteil der von Temu in Europa verkauften und in China produzierten Produkte kommt direkt per Flugzeug in der EU an. Hauptumschlagsplatz von Temu, aber auch von anderen chinesischen Online-Plattformen wie AliExpress oder Shein, ist der belgische Flughafen Lüttich. Er ist zu einer Art Drehscheibe für chinesische Techplattformen geworden und wird aktuell weiter ausgebaut.

Durch die schieren Massen an Produkten, die Temu in Lüttich einführt, kommt der Zoll vor Ort überhaupt nicht hinterher. "Die massive Flut von teilweise gesundheitsgefährdender Billigware aus Fernost trifft an unseren Grenzen auf einen Zoll, der darauf nicht vorbereitet ist", stellte NRW- Finanzminister Optendrenk gegenüber dem WDR fest. Anders als bei Containerware, etwa im Hamburger Hafen, wird Cargoware per Flugzeug nur stichpunktartig von den Zollbeamten geprüft.

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