Gaming Library: Die Spielwiese mitten in Manila

Aus Leidenschaft wird eine Geschäftsidee. Game on, Hans!

Von Sibylle Dorndorf 

Nicht Asien, nicht Amerika, nicht Europa, sondern von allem etwas – die Philippinen sind ein schwer zu fassendes, unglaublich schönes Land. Ein Ort voller Inspirationen und verschiedener Einflüsse. Hans Kenner hat das Überraschungsmoment auf seiner Seite, wenn er seinen (selbst gewählten) Vornamen nennt und nutzt diesen Umstand gern augenzwinkernd als Door Opener und Gesprächseinstieg – vor allem auf der Spielwarenmesse und der SPIEL in Essen

Das vielseitige Geschäftsmodell

Hans Kenner Fernandez, Chief Curator der Gaming Library.

Der Chief Curator, wie Hans sich selbst bezeichnet, ist Gründer der Gaming Library. Hinter diesem Begriff steckt ein vielseitiges Geschäftsmodell. Zum einen gut sortierte stationäre Präsenzen für Brett- und andere Spiele, des Weiteren ein Online-Shop mit hohem Bekanntheitsgrad. Mit den Jahren wurde die Gaming Library zur Brand und gilt heute als Mekka für Spieler jeden Alters und Eldorado für passionierte Gamer. Mit wachsender Bekanntheit wurden die Geschäfte zum Treffpunkt für Familien und zum Place-to-be für Party-People. Was will man mehr? Hans will mehr. Quasi nebenher installierte er 2022 die All aBoard Expo, ein Event, das an einem Wochenende im Oktober Spieler und solche, die es werden wollen, zusammenbringt. 

Wo man spielt, da lass Dich ruhig nieder

Damit trifft der Unternehmer offensichtlich den Nerv der „verspielten“ Filipinos. Auf der Gaming Library-Homepage beschreibt Hans seine Intention mit folgenden Worten: „Wir sind überzeugt davon, dass die Beschäftigung mit Brettspielen ein Spaß bringendes, entspannendes und lehrreiches Erlebnis für Familien und Freundeskreise darstellt. Wir bemühen uns, Klassiker, aber auch top-aktuelle Brettspiele in jeden philippinischen Haushalt zu bringen." 

In der Gaming Library findet jeder, ob Kind oder Erwachsener, ob Single- oder Multiplayer, sein Lieblingsspiel. Das Versprechen, das Hans gibt, erfüllen mittlerweile fünf stationäre Geschäfte, eines in Quezon City, ein weiteres in Makati, eines in Mandaluyong und zwei in Bonifacio Global City. Sie alle liegen in der Hauptstadtregion Metro Manila. Nicht zu vergessen der gut besuchte Online-Shop.

Aber wer ist Hans Kenner Fernandez? Wie tickt er? Was bedeutet es für ihn, zu spielen? 

Nachgefragt

Hans, wann hat Deine Karriere als Chief Curator begonnen?

Das nahm im Jahr 2011 seinen Anfang. Da spielte ich meine ersten Partien Akrham Horror und Power Grid – meine Leidenschaft für Brettspiele war entfacht. Und ich gründete Gaming Library, weil auf den Philippinen damals kaum Brettspiele verfügbar waren.

Konntest Du gleich davon leben? 

Nein, ich betreibe noch einen Urban Traveller & Co. Concept-Store. 

Was machst Du, wenn Du nicht spielst? 

Dann lese oder reise ich. 

Was bedeutet Spielen für Dich?

Spielen ist für mich eine Form der Kommunikation. Ein verbindendes Erlebnis zwischen zwei oder mehreren Menschen. Gemeinsam ein Spiel zu spielen ist eine Erfahrung, die Erinnerungen und Geschichten in einer geschützten Umgebung entstehen lässt.

Ein sehr schöner Vergleich, aber es geht ja auch ganz schnöde ums Gewinnen oder Verlieren …

Mir geht es um unvergessliche Geschichten und unwiederbringliche Momente. Das sind Erfahrungen, die bleiben.

Hast Du ein Lieblingsspiel?

Mein Lieblingsspiel wird immer Twilight Struggle sein, aber ich habe auch einen besonderen Platz in meinem Herzen für Cascadia, Unmatched, Taco Cat Goat Cheese Pizza und Power Grid. Meine allererste Spielesammlung habe ich in Essen gefunden, im Jahr 2015. 

Wachsende Fangemeinde

Der Spiele-Pionier Hans Kenner Fernandez traf mit seiner Geschäftsidee den Nerv sowohl der Zeit als auch der Kultur auf den Philippinen. Familie über alles, gemeinsam etwas unternehmen, Spaß haben. Die Filipinos, verrät Hans über seine Landsleute, sind ein sehr lustiges und fröhliches Volk – und sie wachsen quasi zweisprachig auf. Die Landessprache ist Tagalog, ebenso geläufig als Umgangssprache ist Englisch. Gemeinsam Spiele spielen wird immer mehr Teil der gelebten Familientradition. In Hans Kenner Fernandez’ Familie wurde regelmäßig Schach und Monopoly gespielt. Uno und Monopoly sind heute noch die beliebtesten Kinderspiele. Der ständig größer werdende Kreis an erwachsenen Spielern bevorzugt Sammelkartenspiele wie Magic the Gathering – und gibt mittlerweile immerhin etwa 150 Euro pro Jahr für Spiele aus, und das wohlgemerkt bei einem Mindestlohn von knapp 11 Euro pro Tag.

Eine Spieleszene im Aufbau

Game on in the Gaming Library: Wo gespielt wird, da lass Dich ruhig nieder

Sich mit Freunden treffen, gemeinsam spielen und sich im sozialen Miteinander die Zeit vertreiben, das gehört mittlerweile mit zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen auf den Philippinen. Die Jüngeren bevorzugen digitale Spiele, aber auch Klassiker wie Sammelkartenspiele und Brettspiele sind äußerst beliebt. Partyspiele gehören zu den absoluten Must-haves in den Teenie- und Twen-Cliquen. 

Wenn man tiefer in die Spielelandschaft der Philippinen eintaucht, stellt man fest, dass Spiele in der Hauptsache importiert werden. Das bestätigt auch Hans: „Es gibt mittlerweile wohl aufstrebende Spieledesigner auf den Philippinen, aber wir haben leider keinen hohen Fertigungsstandard, auf den wir zurückgreifen können.“ 

Bisher wird vor allem in Familien, Bekannten- und Freundeskreisen gespielt. Und da die Filipinos gesellig sind und gern ausgehen trifft man sich häufig in Spielecafés oder Spieleläden oder verabredet sich in Restaurants oder anderen öffentlichen Locations. Das Interesse an dieser kommunikativen Freizeitbeschäftigung wächst deutlich, bestätigt Hans Kenner Fernandez. Als Gegengewicht zum digitalen Alltag gilt analoges Spielen als Digital Detox. Wenn Online gespielt wird, dann oft auf Plattformen wie Youtube und Tiktok. 

Die Stunde der Gaming Library

Hans Kenner Fernandez war bei der Gründung der Gaming Library ein Pionier, mittlerweile zieht seine Geschäftsidee immer weitere Kreise – und generiert neue Zielgruppen. Die Hauptadressaten sind jedoch, das ist Hans wichtig, immer noch erster Linie Gelegenheitsspieler und Einsteiger jeden Alters. „Wir wollen die erste Erinnerung sein, die man mit dem Verlieben in das Hobby verbindet“, bekräftigt er. Daran hat sich seit der Gründung seines Spiele-Online-Shops 2011 nichts geändert. Ob ihm damals klar war, welches ungeheure Potenzial seine Geschäftsidee birgt? „Nicht wirklich. Ich wollte einfach einen Laden mit einer großen Auswahl haben. Im Laufe der Jahre hat sich meine Vision verändert und weiterentwickelt, aber meine Leidenschaft ist dieselbe geblieben.“

Immer noch ist Gaming Library vor allem auf den Philippinen bekannt, aber über den Online-Shop wächst der Kundenkreis auch im internationalen Bereich. Der besondere Service von Hans Kenner Fernandez ist seine Visitenkarte und die Tatsache, dass er in seinem Sortiment auch philippinische Ausgaben von Spielen anbietet. 

Spiele als Gewinner der Post-Pandemie

Mit Corona haben sich nicht nur die Lebensgewohnheiten der Menschen weltweit verändert – auch ihre Freizeitgestaltung. Man trifft sich wieder mehr in kleinen Gruppen oder im Familienverbund. Auf diese Weise entwickelte sich die Spielkultur auch in Ländern, in denen sie nicht so tief verankert war wie beispielsweise in Deutschland. Spielen verbindet und da alle großen Marken global agieren, hat die weltweite Community der Spieler viele gemeinsame Anknüpfungspunkte. Hans Kenner Fernandez ist, wenn er in Sachen Spiele unterwegs ist, regelmäßig in Nürnberg auf der Spielwarenmesse anzutreffen, aber auch auf der Spiel in Essen. Beide Veranstaltungen sind für ihn der ideale Playground, um Kontakte zu knüpfen, Spiele zu entdecken und sich über neue Verlage zu informieren. Wenn Hans reist, wird aus dem Trip immer auch ein Market-run. Das Gaming Library-Konzept immer neu aufzuladen ist sein Hauptanliegen. 

All aBoard Expo 

Am Anfang war die Idee: All aBoard Expo, ein ausbaufähiges Konzept

Spiele auszuleihen war früher kaum denkbar. Mittlerweile gehört dieser Service zu einer funktionierenden Geschäftsidee dazu. Auch in der Gaming Library kann man, wie der Name verspricht, sowohl Spiele als auch Tische zusammen mit einem Trainer entweder stundenweise oder tageweise mieten. Eine coole Idee für Feste und Überraschungspartys, die gern angenommen wird. Und weil es Hans Kenner Fernandez’ erklärtes Ziel ist, Menschen zusammenzubringen, veranstaltet er mit seinem Team regelmäßig Turniere und Community-Treffen im Geschäft. Aus diesem Marketing-Konzept heraus entwickelte sich auch die All aBoard Expo, die Hans 2022 ins Leben rief. "Brettspiel-Cafés hatten unter den Folgen der Lockdowns zu leiden. Wir gründeten All aBoard in der Hoffnung, auch andere dazu zu inspirieren, das Gleiche zu tun.“  Das Angebot wurde angenommen. Die Besucherschaft der Expo ist bunt gemischt: Gelegenheitsspieler, Anfänger und Spieler, die in einer lustigen Gemeinschaft ihr Hobby ausüben möchten, finden sich zusammen. 

Am Anfang war die Idee

Hans Kenner Fernandez ist ein wacher Geist, ein Suchender und in der Konsequenz ein unermüdlicher Macher. Bücher inspirieren ihn, von seinen Reisen bringt er Ideen mit. Und natürlich besucht er Messen und Spiele-Events weltweit, darunter das Asian Board Game Festival und den Tokyo Game Market. Die CMON Expo Bangkok, ein zweitägiges Brettspiel-Event, heuerte ihn gleich als VP of Global Sales an. In dieser Funktion ist Hans Kenner Fernandez für die Organisation der CMON Expo in Thailand verantwortlich. Auf den Philippinen gibt es – noch – nichts Vergleichbares. Aber wer weiß, was Hans noch so einfällt. Für ihn ist es derzeit mit viel Aufwand und Reisen verbunden, bestehende Kontakte aufrechtzuerhalten und neue zu knüpfen: „Ich musste mich von Essen aus hocharbeiten, um Kontakte zu bekommen. Die meisten meiner Gesprächspartner wussten nicht einmal, wo die Philippinen liegen.“ Dabei ist der Markt durchaus interessant, weil stetig wachsend. Auch die Nachfrage nach Spielen in philippinischer Auflage steigt. Das bestätigt Hans Kenner Fernandez: „Sie wächst erfreulicherweise, aber es ist ein harter Weg. Die meisten Filipinos sind auf eine Beschäftigung in einem globalen Umfeld angewiesen, der Markt für landestypische Produkte ist noch ganz am Anfang seiner Entwicklung.“ 

Über die Autorin 

Sibylle Dorndorf schreibt seit fast 30 Jahren über die Spielwarenbranche, zuletzt war die Journalistin Chefredakteurin der TOYS-Magazinfamilie im Göller Verlag, Baden-Baden. Ihre Passion: Unternehmen, die sich neu erfinden, Marken, die sich glaubwürdig positionieren, Menschen, die etwas zu sagen haben und Produkte mit Zukunft. 

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