Die hohe Kunst des Lizenzgeschäfts
Als Film Top, als Spiel ein Flop? Ein Einblick mit Ute Stauss
Von Sibylle Dorndorf
Sie sorgen nicht nur zu Weihnachten für klingende Kassen: Lizenzartikel. Als verlässliche Umsatzbringer sind sie ganzjährig gefragt, nicht nur bei den Kids, sondern auch bei den Kidults. Allein in den USA, auf dem weltweit größten Spielzeugmarkt, spielt diese Zielgruppe 25 Prozent des jährlichen Gesamtumsatzes ein – Tendenz steigend. Die Dunkelziffer ist hoch. Wie viele Kaufentscheidungen vom „Inner Child“ getroffen werden, hängt zu einem großen Teil auch von der „Lizenz zum Spielen“ ab. Spielzeuge, Collectibles- oder Merch – immer mehr Erwachsene outen sich als Spielkinder. Über die Hälfte des Gesamtumsatzes von Star Wars-Produkten entfällt auf Verbraucher ab 12 Jahren – und Pokémon zieht nach bei den älteren Fans.
Lizenzen als sichere Bank
Lizenzen sind nicht nur Wachstumstreiber quer über alle Branchen und Zielgruppen, sondern auch ein probates Mittel, Marken interessant zu machen und Produkte mit neuen Inhalten und Images aufzuladen. Das schafft Begehrlichkeiten. Top-Lizenzartikel sind schnell vergriffen, nicht nur zu Weihnachten.
Was bleibt, was kommt?
Wer auf Lizenzen setzt, muss schnell sein und vor allem die mediale Performance eines Themas im Auge haben. Filmveröffentlichungen wie Wicked, Sonic und Moana werden beispielsweise im letzten Quartal dieses Jahres wieder für Furore sorgen. Das wird auch abseits der Leinwand Strahlkraft haben. Und 2025? Die Rückkehr von Jurassic World, Superman, James Camerons Avatar, Fantastic Four, Captain America und Gabby’s Dollhouse sowie Live-Action-Filme zu Minecraft und Stitch wirft ihre Schatten voraus und bietet viel Vorfreude aufs kommende Jahr.
Dos und Don’ts bei der Lizenzierung
Halten wir fest: Lizenzen sind ein Milliardengeschäft. Aber man kann auch Milliarden verlieren, wenn man beim Erwerb einer Lizenz schief liegt. So mancher Markeninhaber hat mit einem „Fehlkauf“ schon viel Geld versenkt.
Für Spirit of Play gibt Lizenzexpertin Ute Stauss, seit Februar 2024 Geschäftsführerin von Licensing International Germany, Insider-Tipps für den Lizenzkauf.
Nachgefragt
Frau Stauss, Sie sind Expertin für das Licensing von Consumer- und Lifestyle Products. Wie sehr „ziehen“ Lizenzen bei Verbrauchern im Vergleich zu unlizenzierten Produkten?
Lizenzen haben bei Verbrauchern in der Regel eine starke Anziehungskraft im Vergleich zu unlizenzierten Produkten. Denn sie repräsentieren bekannte Marken, Charaktere oder Inhalte, die eine emotionale Bindung oder Vertrauenswürdigkeit schaffen. Lizenzierte Produkte profitieren von der Wiedererkennung und dem positiven Image der Lizenzgeber, was sie häufig attraktiver macht und höhere Verkaufszahlen generieren kann. Diese Produkte bieten den Konsumenten eine Form von Qualitätssicherung und Authentizität, die bei unlizenzierten Produkten manchmal fehlt.
Haben Lizenzprodukte in den letzten Jahren an Begehrlichkeit gewonnen?
Unsere jährliche Studie zeigt, dass Verbraucher bereit sind, für lizenzierte Produkte einen höheren Preis zu zahlen. Besonders in Branchen wie Spielzeug, Bekleidung, Entertainment und Sport sind Lizenzen ein entscheidender Verkaufsfaktor.
2023 haben die Verbraucher bewiesen, dass sie den Marken, Charakteren und Eigenschaften, die sie lieben, treuer sind als je zuvor. Tatsächlich hat, Sie erwähnten das bereits, die globale Lizenzindustrie erneut besser abgeschnitten als der gesamte weltweite Einzelhandelsmarkt, was beweist, dass Marken unabhängig von der Produktkategorie einen echten Unterschied ausmachen.
Was bedeutet das in Zahlen?
Wir haben unsere 9. jährliche Studie über die „Global Licensing Industry“ abgeschlossen und können Erfreuliches vermelden: Der weltweite Umsatz mit Lizenzprodukten verzeichnete im Jahr 2023 mit 356,5 Milliarden US-Dollar ein weiteres Jahr des Wachstums. Das bedeutet in Zahlen ein Plus von 4,6 Prozent im Vergleich zu den 340,8 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022. Also ja – Lizenzen ziehen beim Verbraucher und haben an Begehrlichkeit weiterhin gewonnen.
Für welche Alters- oder Zielgruppen sind Lizenzprodukte besonders attraktiv?
Lizenzprodukte sind besonders bei Kindern und Kidults sehr beliebt. Kinder schätzen sie wegen der Identifikation mit ihren Lieblingsfiguren, während Kidults oft eine nostalgische oder kulturelle Bindung zu ihren Marken haben. In beiden Fällen bieten Lizenzen einen starken emotionalen Mehrwert, der die Attraktivität im Vergleich zu unlizenzierten Produkten deutlich erhöht.
Kidults ist das neue Zauberwort, wenn es um neue Zielgruppen geht. Welche Lizenzthemen begeistern Erwachsene vor allem?
Bei den Kidults sind eher Themen, Marken oder Charaktere aus dem Bereich Nostalgie, Fandom oder Gaming relevant. Das geht von Star Wars, Mickey Mouse, Superman bis hin zu Harry Potter oder anderen Helden aus der eigenen Kindheit. Favoriten sind auch Fantasy Figuren oder Avatare aus dem Gaming Bereich.
Und was ist bei den Kids der Renner?
Bei Kids gibt es heutzutage nicht nur mehr ein oder zwei große Themen. Das Angebot an Themenwelten, Charakteren und IPs für Kids ist mittlerweile extrem umfangreich und komplex.
Nehmen wir zum Beispiel die Zielgruppe Jungs im Bereich Toys: da unterscheidet man ob die Zielgruppe sich eher für „Superheroes“ interessiert, „Manga/Animé“ oder „Space“, „Sports“ oder „Fantasy Creatures“. Sie sehen also, dass man auch hier genauer hinschauen muss. Aber Marvel, Star Wars, Pokemon oder auch Fußball sind immer noch top Themen. Nur kommen halt immer schneller andere Themen nach.
Markenunternehmen waren lange Jahre der Ansicht, dass Lizenzen mit Vorsicht zu genießen seien. Nun greifen große Player gerne zu. Wann befruchten sich Marken und Lizenzthemen und wann ist die Lizenz für die Marke eher kontraproduktiv?
Lizenzen befruchten Marken, wenn sie strategisch gut passen, das Markenimage stärken und neue Zielgruppen ansprechen. Erfolgreiche Partnerschaften basieren auf langanhaltenden, gut etablierten Franchises mit starker Fangemeinde, die Kreativität und Spielspaß fördern.
Allerdings können Lizenzen kontraproduktiv sein, wenn sie nicht zur Zielgruppe passen, die Marke überlizenzieren oder die kreative Freiheit einschränken. Das richtige Gleichgewicht zwischen Lizenzthemen und eigenständigen Produkten ist der Schlüssel zum Erfolg.
Können Sie das konkretisieren?
Nicht alle Lizenzen passen zu starken Marken, vor allem, wenn sie für andere Altersgruppen oder Zielmärkte gedacht sind. Wenn beispielsweise eine Lizenz auf einem Thema basiert, das für eine ältere Zielgruppe oder ein sehr spezifisches Publikum interessant ist, kann sie für die typische Zielgruppe irrelevant wirken. Ein Beispiel wäre die Serie „Game of Thrones“, die eine hohe Altersfreigabe hat und nicht zum Markenkern von beispielsweise Kinder- und Spielwarenmarken passen würde.
Sowohl im Handel als auch in der Industrie der Spielwarenbranche herrscht immer noch eine relative Unsicherheit, wenn es um die Auswahl neuer Lizenzthemen für einzelne Produktlinien oder für das Sortiment geht. Haben Sie Tipps, wie man den Griff zu Flops vermeiden kann?
Die Annäherung an ein Lizenzthema erfordert eine gründliche Analyse der Zielgruppe, der Markttrends und der Markenpassung. Strategische Partnerschaften, kreative Produktentwicklung und gut geplante Marketingstrategien sind entscheidend, um das Potenzial einer Lizenz voll auszuschöpfen und Flops zu vermeiden. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Nutzen der Lizenz und der eigenen Markenidentität sowie langfristige Planung tragen dazu bei, Risiken zu minimieren und nachhaltigen Erfolg zu sichern.
Ein erfolgreicher Ansatz zur Vermeidung von Flops ist die richtige Umsetzung des Lizenzthemas im Produktdesign, also innovative Produktkonzepte oder auch eine Diversifizierung der Produkte. Beispielsweise Limited Editions neben der klassischen Produktlinie.
Aber eine gute Lizenz reicht nicht aus; das Produkt muss auch gut vermarktet und positioniert werden und da ist ein Investment in das Marketing von beiden Seiten, also Lizenzgeber und -nehmer sehr wichtig.
Ich frage Sie jetzt nicht nach Ihrem Geheimtipp, aber es wäre interessant zu wissen, welche Tendenzen sich bei Lizenzthemen herauskristallisieren und welche Trends sich hier Ihrer Meinung nach abbilden?
In unserer Studie verzeichnen insbesondere die Kategorien Bekleidung, Beauty, Sport, Location-Based Entertainment und Gaming starke Wachstumsraten. Abschließend möchte ich einige Beispiele aus dem Bereich Location-Based Entertainment hervorheben, der sich im Vergleich zu 2022 um beeindruckende 13,5 Prozent gesteigert hat. Seit Ende der Pandemie haben die Menschen ein umso größeres Bedürfnis nach realen Erlebnissen. Zu dieser Kategorie zählen unter anderem Events wie die "Peppa Pig Surprise Party", die „Nerf ActionXperience“, „Sesame Street Learn & Play Center“ oder die Barbie-Ausstellung "You Can Be Anything".
Oder nehmen Sie als Beispiel die Konzerte von Adele in München diesen Sommer: Es wurde eigens eine "Adele World" erschaffen, die den Konzertbesuchern ein umfassendes Erlebnis bot, um den Star Adele auf besondere Weise greifbarer und nahbarer zu machen. Angefangen über Merchandise Shops, Mulitmedia Installationen und kulinarische Angebote – alles um das Konzertereignis noch erlebbarer zu machen. Und das äußert sich natürlich darin, dass Teilnehmer solcher Events oft ein starkes emotionales Bedürfnis haben, ihre Erfahrung zu vertiefen, indem sie zusätzlich lizenzierte Produkte erwerben, um das Gesamterlebnis abzurunden.
Frau Stauss, ich bedanke mich für die interessanten Einblicke in diesen faszinierenden Markt und für das Gespräch!
Save the Date: Licensing Summit 2024
Unter dem Motto „Connecting Ideas. Creating the Future.“ trifft sich die deutschsprachige Lizenzbranche am 7. November zum Licensing Summit 2024 in München. Die Jahresveranstaltung von Licensing International Germany findet im neuen Format statt und steht ganz im Zeichen von Networking und Informationsaustausch.
Über die Autorin
Sibylle Dorndorf schreibt seit fast 30 Jahren über die Spielwarenbranche, zuletzt war die Journalistin Chefredakteurin der TOYS-Magazinfamilie im Göller Verlag, Baden-Baden. Ihre Passion: Unternehmen, die sich neu erfinden, Marken, die sich glaubwürdig positionieren, Menschen, die etwas zu sagen haben und Produkte mit Zukunft.