Fette Sahne auf dem Kirschkuchen
Mit WAS IST WAS erobert der Tessloff Verlag nicht nur Bücherregale, sondern auch neue Lizenzwelten
Von Peter Budig
Lizenzen sind im Kinder-Buchverlag die Sahne auf dem Kirschkuchen. Das gilt vor allem, wenn der Kuchen selbst schon eine Wucht ist und beim Publikum sehr beliebt. Dann kommt das Topping richtig zur Geltung. WAS IST WAS, die Kinderbuchmarke, die den Tessloff Verlag groß gemacht hat und bis heute das Kerngeschäft ausmacht, ist im Lizenzgeschäft prächtig vertreten. 91 Prozent aller 8-12-Jährigen und 97 Prozent der Mütter kennen die Buchreihe mit dem quadratischen Logo (Zahlen von 2020).
WAS IST WAS begann einst schon als Lizenz. Verlagsgründer Ragnar Tessloff entdeckte ein Kinder-Wissensformat namens „How and Why“ in einem New Yorker Buchladen. Die nötigen Rechte für Deutschland erwarb der Verleger 1959 im Rahmen der Frankfurter Buchmesse – er witterte die Chance und entwickelte die Reihe weiter. Seit den späten 1980er Jahren gehört der erfolgreiche Tessloff Verlag zum Nürnberger Medienunternehmen Müller Medien, Ende der 80iger Jahre zog er von Hamburg nach Nürnberg.
Erste internationale Lizenzen: Die WAS IST WAS Buchreihe erobert die Welt
Verantwortlich für „Licensing & International Business“ ist bei Tessloff Helga Uhlemann, seit über 30 Jahren im Verlag tätig. Die naheliegende Lizenz für WAS IST WAS Bücher ist der internationale, fremdsprachige Markt. „Dinosaurier“, einer der allerersten Erfolgsbände und bis heute ein extremer Longseller, „Planeten und Raumfahrt“, „Wale und Delphine“ „Das alte Rom“, „Der Planet Erde“ – für diese Themen interessiert sich jedes Kind, egal wo. Inzwischen gibt es ca. 130 WAS IST WAS-Titel in Deutschland; ausgewählte Titel sind in 75 Ländern und 37 Sprachen lizensiert. Die beständigsten Märkte für WAS IST WAS sind Ungarn, China, Vietnam, Indonesien und Holland. Über 100 Millionen Exemplare der unterhaltsamen Wissensklassiker wurden verkauft.
Allerdings mussten die Kinderschmöker in den letzten Jahren buchstäblich und grafisch neu gedacht und konzipiert werden: „Kinder, die in der digitalen Welt groß geworden sind, lesen ganz anders. Nicht mehr von oben links nach rechts unten. Sie wollen geführt werden, brauchen Reize, Rätselfragen, ausgelagerte Infoboxen, alles bildstark“, erläutert Pressesprecherin Janine Wölfel. Die erfahrene und eingespielte Tessloff-Truppe, die Lektoren, Grafiker, Bildredakteure … gut 60 Festangestellte und viele treue Freie erfinden die Wissensvermittlung immer wieder neu und immer wieder fesselnd.
Kurze Geschichte des Tessloff Verlages
Ragnar Tessloff gründete den Tessloff Verlag 1956, in der Nachfolge eines Verlages, den sein Vater mit schwedischer Literatur führte. Tessloff jun. war eigentlich Fotograf, jedoch auch ein ebenso rühriger wie kreativer Unternehmer. Den ersten Erfolg machte er mit deutschen Übersetzungen amerikanischer Comics, die heute noch jeder kennt, der damals Kind war: Lassie und Tom und Jerry waren darunter. Er bereiste öfter die USA und entdeckte in New York die Kinder-Sachbuchreihe „How and Why“. Aus ersten Lizenzverträgen wurde ab 1961 die deutschsprachige Reihe „WAS IST WAS“ - anfangs als „Monatszeitschrift von besonderem Wert“, ab 1963 dann als Hardcover-Ausgabe im Buchhandel.
Ende der 1980er Jahre kauft der Nürnberger Müller Verlag das Unternehmen, Ende der 80iger Jahre zieht es von Hamburg nach Nürnberg. Vieles, was heute diesen einzigen reinen deutschen Kinderbuchverlag ausmacht, die Neugier, die geschäftliche Dynamik, die Expansionslust, waren in seinem Gründer bereits angelegt. „Ich spürte die Lücke“, sagte er, und konsequent hat er sie ausgefüllt, mit Produkten von stets höchster Qualität.
In Nürnberg wird die Tradition fortgesetzt, WAS IST WAS bleibt die erfolgreichste Marke, die in andere Altersgruppen erweitert wird. In Anknüpfung an die deutsche Kindersachbuchreihe WAS IST WAS entstehen zahlreiche nationale und internationale Lizenzen, die das Verlagsgeschäft auf breitere Füße stellen.
28. Januar bis 1. Februar 2025:Tessloff Verlag auf der Spielwarenmesse in Halle 10.0 E-02.
Das berühmte Logo ziert auch andere Buchreihen
Auch mit anderen Verlagen im deutschen Sprachraum ist man ins Lizenzgeschäft gekommen, zum Beispiel mit den Berliner Comic-Spezialisten von Egmont, die gut eingeführte WAS IST WAS-Themen in bewährter Bildergeschichten-Form auf ihre Weise aufleben lassen: „Das beste Haustier der Kreidezeit“, „Das Geschenk der Pharaonin“ heißen Comics mit dem WAS IST WAS Logo. Eine jüngere Altersgruppe ab sechs Jahren bedienen die kleinformatigen Wissens-Bücher, die der lustige Kobold aus den Pixi-Büchern (Carlsen Verlag) mit Wissen versorgt: Entdecke die Natur, der Dauerbrenner Dinosaurier, Weltraum, Baustelle, Bauernhof … Zum Klassiker wurden die WAS IST WAS Kosmos-Spiele, die der traditionsreiche Stuttgarter Spiele-, Ratgeber- und Jugend/Kinderbuch-Verlag mit immer neuen Themen (Erde, Pferde, Welt, Fußball …) in Lizenz herausgibt. All diese Formate folgen dem Credo des Tessloff Verlages, „wir wollen Kindern und Jugendlichen Wissen vermitteln“, so die Geschäftsführerin Katja Meinecke-Meurer.
WAS IST WAS für nachhaltige Anliegen
Eine Besonderheit des Lizenzgeschäftes sind WAS IST WAS Bücher und Broschüren für Kunden mit Spezialthemen: WAS IST WAS hat eine solche Broschüre mit der Stiftung OFFSHORE WINDENERGIE entwickelt. Sie erklärt, „wie mit der ‚Kraft des Windes‘ klimafreundlicher Strom entsteht“. Das Thema Nachhaltigkeit liegt dem ganzen Verlag am Herzen, nicht nur bei der aktuellen Buchproduktion, sondern als „ein Prozess, der niemals abgeschlossen sein wird“, sagt Katja Meinecke-Meurer. Es passt in diese Reihe der Special-Sales-Ausgaben, dass Tessloff das Buch „Der BioBauernhof“ mit „Naturland in Nordrhein-Westfalen“ erarbeitet hat und mit der Stiftung ear (Deutsche Recycling Service GmbH) eine Broschüre zum Thema Elektroschrott. „Wir denken vom Inhalt her, Wissen vermitteln für eine nachhaltigere Welt ist unsere Mission“, sagt Helga Uhlemann.
Kontakte für Lizenzpartner in buchfremden Genres ergeben sich oft auf Messen
Lizenzen werden auch in andere Genres vergeben, in denen weder Bücher noch Wissensvermittlung eine Rolle spielen: Produkt-Schächtelchen für den Kinderkaufladen, Dinos im Überraschungsei aus Kinderschokolade (die dann über einen Code ein Hörspiel freigeben), eine Kooperation mit der Stiftung der WEPA-Gruppe, bei der elf Infotafeln für den Baumvielfaltpfad am Lattenberg im Sauerland produziert wurden. Auch das Kindershampoo der dm-Eigenmarke Balea trug eine Zeitlang das berühmte Logo aus dem Tessloff Verlag. Schließlich nicht zu vergessen, der CRAZE WAS IST WAS Wissenschaft Adventskalender – mit Experimenten für Kinder. In der Welt der Lizenzvergaben sind kreativen Ideen kaum Grenzen gesetzt.
Klinkenputzen muss die gut vernetzte Betriebswirtschaftlerin Uhlemann dafür nicht. Viele der Kontakte ergeben sich auf Messen, neuerdings auf der BRANDmate („Symbiose aus Messe, Kongress und Festival“). Die junge B2B-Messe mit branchenübergreifendem Angebot ging 2022 in Offenbach an den Start, im kommenden Sommer findet sie am 25. und 26. Juni in Essen statt. Auch die Nürnberger Spielwarenmesse ist ein guter Ort für Kundenkontakte, keineswegs nur aus der Jugendbuch- und Spielwarenbranche, wie Uhlemann erfahren hat.
Darüber hinaus gibt es WAS IST WAS-Bücher für den BOOKii-Hörstift, der Lesen und Hören kombiniert. Mit dem Sensor an der Stiftspitze wird ein Code auf Buchseiten ausgelesen. Dieser Code ist mit unterschiedlichen Audiodateien, die zum Buch gehören, verknüpft: Stimmen, Geräusche, erläuternde Geschichten zum Buch. Der Galakto wiederum ist ein Audio-Produkt der Tiny Monster GmbH in Berlin: In die schicken, kinderbunten Galakto Player wird ein sogenannter Token gesteckt, ein Chip mit Hörinhalten und Geschichten. WAS IST WAS Token gibt es zum Beispiel zu den Themen „Im Reich der Dinosaurier“, „Abenteuer Autos“ oder „Planeten und Raumfahrt“.
Die Welt der Lizenzvergaben – den Ideen sind kaum Grenzen gesetzt
Ganz oben im Tessloff-Universum in der Nürnberger Burgschmietstraße gibt es einen Raum, der die Schätze des Hauses vorführt: historische, die beim Besucher Kindheitserinnerungen wecken, und brandneue, die irgendwie gleich und doch ganz anders aussehen. Hier hat Helga Uhlemann einen eigenen Lizenzbereich, dessen Regale angefüllt sind mit vertrauten und naheliegenden Produkten wie mit völlig verblüffenden Ideen. Die Welt der Lizenzvergaben scheint unerschöpflich.
Lizenzgeschäft im Buchverlag – Fakten aus 2023
6.527 Werke „made in Germany“ haben 2023 Lizenznehmer im Ausland gefunden. Das sind 128 weniger als im ohnehin schon schwachen Vorjahr. Die weltpolitische Lage und hohe Produktionskosten schlagen auch auf den Lizenzmarkt durch.
38,0 Prozent aller Lizenzdeals 2023 entfallen auf das Kinder- und Jugendbuchsegment, das 2.481 Abschlüsse zählt. … Die wichtigsten Länder in dieser Reihenfolge: China, Tschechien, Russland, Italien, Ukraine …
Quelle: Börsenblatt des deutschen Buchhandels, Zahlen zum Lizenzgeschäft. In diese Länder reist die deutsche Literatur. 15. August 2024
Über den Autor:
Peter Budig hat Evangelische Theologie, Geschichte und Politische Wissenschaften studiert. Er war als Journalist selbstständig, hat über zehn Jahre die Redaktion eines großen Anzeigenblattes in Nürnberg geleitet und war Redakteur der wunderbaren Nürnberger Abendzeitung. Seit 2014 ist er wieder selbstständig als Journalist, Buchautor und Texter. Storytelling ist in allen Belangen seine liebste Form.