Geopolitische Risiken für die Spielzeugbranche
Ein Kommentar von Steve Reece
Auch die Spielwarenbranche existiert nicht in einer von der restlichen Welt abgeschotteten Blase, sondern steht immer auch unter dem Einfluss des aktuellen Weltgeschehens. Heutzutage heißt das, dass die Player in der Spielzeugbranche es mit einem immer komplizierteren makroökonomischen Umfeld zu tun haben, in dem vieles, was wir früher für selbstverständlich hielten, plötzlich in Frage gestellt wird. Daraus entstehen wiederum Risiken für unser Geschäft.
Krieg in Europa
Der erste große geopolitische Umbruch, den wir gesehen haben, war zweifelsohne die Rückkehr eines massiven Kriegs auf den europäischen Kontinent, nachdem mehrere Generationen in Europa vom Krieg verschont geblieben waren. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hatte unmittelbar zur Folge, dass der russische Toy-Markt für viele westliche Länder von heute auf morgen inexistent war. Ein großes börsennotiertes Spielzeugunternehmen meldete einen Umsatzrückgang von mehr als 100 Millionen US-Dollar, nachdem es sich aus dem russischen Markt zurückgezogen hatte.
Gleichzeitig stieg die Nachfrage nach Produktionsstätten in und um Europa herum, nachdem die Frachtkosten für Container nach dem Ende der Coronakrise exponentiell in die Höhe geschossen waren. Zwar gibt es in Osteuropa ein paar Werke für Spielzeugproduktion, die den Massenmarkt bedienen, aber die lagen bis zum russischen Angriffskrieg in erster Linie in der Ukraine und in Moldau, wo das Lohnniveau niedrig war. Mit dem Krieg im Land und den dadurch bedingten Veränderungen gibt es dort aber kaum mehr Arbeitskräfte.
Europapolitik, der Brexit und seine Auswirkungen auf die Toy-Branche
Neben den katastrophalen Auswirkungen des Kriegs auf die Menschen haben wir es also auch mit einer Störung des spielzeugproduzierenden Sektors in Europa zu tun. Die Auswirkungen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union waren bis jetzt noch nicht wirklich schlimm. Die meisten Spielzeugunternehmen, die EU-Kunden mit Waren aus Lagern im Vereinigten Königreich versorgt hatten, haben sich mittlerweile in erster Linie in den Niederlanden oder Belgien niedergelassen. Hier sehen wir also Business as usual. Der bürokratische Aufwand für den Versand von Mustern auf die Insel ist etwas aufwändiger geworden, aber ansonsten war die ganzen Brexitnummer für die Spielzeugbranche zum Glück kein allzu großer Schaden.
Der Krieg im Nahen Osten
An kriegerische Auseinandersetzungen im Nahen Osten hat man sich traurigerweise ja fast schon gewöhnt. Aber der derzeitige Konflikt hat das Potenzial, auch auf andere Regionen überzuschwappen. Die direkten Auswirkungen auf die Spielzeugunternehmen vor Ort sind bereits jetzt zu spüren, während dem Spielwarenhandel weltweit vor allem die Lage am Suez-Kanal zu schaffen macht. Wenn ein Schiff nicht zur Zielscheibe der vom Jemen aus operierenden Huthi-Rebellen werden will, muss es jetzt einen enormen Umweg um ganz Afrika machen. Zurzeit sieht es nicht so aus, als ob die Bedrohung für die Schifffahrt nachlassen könnte, solange im Nahen Osten kein Frieden einkehrt. Die Auswirkungen auf die Kosten sind zwar nicht so stark wie zu Corona-Zeiten, aber gestiegen sind Frachtkosten und Fahrzeiten doch beträchtlich. Es bleibt also nur zu hoffen, dass sich das nicht auf die Lagerbestände auswirkt, denn eines ist klar: Waren müssen rechtzeitig in den Markt gelangen, wenn man sie erfolgreich verkaufen will.
Die Spannungen zwischen den USA und China und gestörte Lieferketten
Die größte Bedrohung für die geopolitische Lage ist jedoch das nicht immer ganz einfache Verhältnis zwischen den USA und China. Es gab mal eine Zeit, in der die USA China als Entwicklungsland betrachteten, das ein großes Potenzial hat, das der Westen nur heben muss. In den letzten zehn Jahren haben sich die Beziehungen verschlechtert, weil China versucht, sein ganzes Gewicht in die Waagschale zu werfen, um seine Interessen durchzusetzen. Gleichzeitig schaut man mittlerweile in den USA anders auf China. Das Land, das einst als Kooperationspartner galt und dann zu einem Wettbewerber wurde, wird jetzt in manchen politischen Kreisen eher als Gegner wahrgenommen.
Risiken und Realität
Die meisten Spielsachen werden immer noch mit Abstand in China produziert. Es gibt dazu nur wenige belastbare Daten, aber man hört aus ganz unterschiedlichen Quellen, dass der Anteil, den chinesische Unternehmen an der weltweiten Spielwarenproduktion haben, immer noch bei 80% liegen dürfte. Deswegen müssen Spannungen zwischen China und den USA jedem Sorgen machen, der in der Toy-Branche tätig ist. Die großen US-Einzelhändler machen mittlerweile Druck auf ihre Lieferanten und fordern sie auf, auch außerhalb von China zu produzieren. Hintergrund ist die Angst davor, dass der Konflikt zwischen beiden Ländern weiter eskalieren könnte. Vor allem börsennotierte Unternehmen tun alles, um ihre Anleger bei Laune zu halten, und haben etwaige Risiken deswegen immer äußerst wachsam im Blick. Ein Risiko wären höhere Zölle oder die Androhung von Sanktionen, wenn sich die Lage in Taiwan zuspitzen sollte. Das Problem für den Handel, der den Massenmarkt bedient, der für das Toy-Business enorm wichtig ist, lässt sich ganz einfach beschreiben: Risiken stellen genauso wie die Realität ein Problem dar!
China als führender Spielzeugproduzent
Das Problem ist eigentlich ganz simpel: Zwar werden andere Länder Produktionskapazitäten für Spielzeug aufbauen und ihren Anteil an den weltweit produzierten Toys erhöhen, aber das heißt nicht, dass es eine vollwertige Alternative zu China gibt. Das Wissen und die Erfahrung, über die China verfügt, sind einzigartig. Und die Produktionskapazitäten im Land übertreffen bei weitem das, was sich andere Länder nicht einmal in ihren kühnsten Träumen vorzustellen wagen. Hinzu kommt, dass die Beziehungen zwischen den Spielzeugunternehmen und den Produzenten in China mittlerweile seit mehreren Jahrzehnten bestehen. Dagegen ist schwer anzukommen!
Als Donald Trump Präsident war, machte er großen Druck und führte Zölle ein, weil er glaubte, damit die seiner Meinung nach unfairen chinesischen Handelspraktiken bekämpfen zu können. Wenn Trump dieses Mal wieder ins Weiße Haus einziehen sollte, dürfte er wohl kaum eine Kehrtwende in seiner China-Politik machen. Und es ist auch noch nicht klar, wie Kamala Harris sich als US-Präsidentin gegenüber China positionieren würde. Eines ist jedoch sicher: wir in der Toy-Branche müssen sehr genau beobachten, wie sich das Verhältnis zwischen den beiden Supermächten weiterentwickelt.
Fazit: Wir müssen die Welt genau im Auge behalten
Die Welt, in der die Spielzeugbranche unterwegs ist, hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Die Zeiten, in denen es nur eine Supermacht gab, sind wohl endgültig vorbei. Inzwischen gibt es in aller Welt jede Menge geopolitischer Spannungen, Konflikte und leider sogar wieder Kriege. Jede Entscheidung muss im Hinblick auf die aktuelle Weltlage genau geprüft werden. Dabei dürfte es wenig bringen, den Kopf einfach in den Sand zu stecken, denn die Welt ändert sich so oder so – ob uns das passt oder nicht. Als Führungskraft in einem Spielzeugunternehmen ist man also gut beraten, ein wachsames Auge auf die geopolitischen Trends und Ereignisse zu haben.
Über den Autor
Steve Reece ist seit 25 Jahren in der Spielwarenbranche unterwegs. Zuerst war er bei Hasbro für die Markenführung von wichtigen Brands wie Monopoly, Play-Doh und Trivial Pursuit zuständig. Mittlerweile betreibt er eine Unternehmensberatung mit dem Namen Kids Brand Insight, die Anbieter von Spielwaren dabei unterstützt, robuste und diversifizierte Lieferketten aufzubauen und passendes Personal zu finden.