Technisches Spielzeug: Retten, Löschen, Bergen

Wie Modelle das Engagement der Rettungsdienste spielerisch erschließen

Von Thomas Peter

Feuerwehr fasziniert. Entsprechend umfangreich thematisieren Spielzeuge und Modellbau die Welten der Brandschützer und Retter. Es ahmen aber nicht nur Kinder die Arbeit der Brandschützer nach: Auch umgekehrt setzen aktive Feuerwehrleute Spielzeug und Modelle für die Ausbildung ein.

Simulation eines Brandes in Hamburg im Maßstab 1:87.

Großalarm in der Hamburger Speicherstadt: Es brennt! Rund 30 Löschfahrzeuge, Drehleitern, Einsatzleitwagen und andere Feuerwehrautos rücken mit blitzenden Blaulichtern aus. Zum Glück ist es kein echter Einsatz, sondern eine Simulation im Maßstab 1:87 in der Stadt „Knuffingen“, dem Herzstück des Miniatur Wunderlandes. „Die Neugier kleiner und großer Besucher auf die Einsatzfahrten ist dennoch riesengroß“, sagt Axel Dirks. Er ist Teamleiter für das Car System im Miniatur-Wunderland. „Insgesamt 55 Feuerwehrfahrzeuge nach Vorbildern aus verschiedenen Ländern sind auf der ständig wachsenden Anlage unterwegs“, erklärt Dirks – ein gutes Dutzend davon im USA-Abschnitt.

Die Vorbereitung eines Modells für den Einsatz im Miniatur Wunderland stellt einerseits technische Herausforderungen: Da geht es insbesondere um den Antrieb (ähnlich wie beim Faller Car System), aber auch um die Beleuchtung (an der Spitze steht ein Flugfeldlöschfahrzeug mit mehr als 70 LED). Doch es geht auch um den Modellbau: „Wir nehmen die Rohkarosserien von verschiedenen Herstellern, die wir dann mit einem Antrieb versehen und vorbildgerecht gestalten“, erklärt Dirks. Bei den Löschzügen in Knuffingen haben sich die Experten in der eigenen Stadt umgeschaut, bei der Hamburger Feuerwehr.

Modell eines Brandes im Finanzamt in Hamburg

„Das Echo der Besucher auf die Blaulichtflotte ist durchwegs gut“, freut sich der Experte: Nicht nur Kinder sind begeistert, sondern auch erwachsene Brandschützer zollen den Miniaturen ihren Respekt. Was ist ein besonders dickes Lob? Da muss Dirks nicht lange nachdenken: Wenn ein Besucher sagt „genau so rücken wir bei einem Einsatz auch aus!“ Die Vorbilder werden den Modellbauern so schnell nicht ausgehen: Wie vielfältig die Welt der Feuerwehrautos, Rettungswagen und anderer Fahrzeuge aus dem Bereich der Hilfsorganisationen ist, zeigt unter anderem eine Sammlung im H0-Format, die das Miniatur-Wunderland in Vitrinen präsentiert.

Zeitzeugen spielerischer Aneignung

Ein Fritteusen Brand wird spielerisch simuliert, um den Kindern die Thematik näher zu bringen.

Wenn Kinder im Spiel mit Modellen und Figuren die Arbeit von Rettungsdienst, Feuerwehr und Co. nachahmen, setzen sie sich auch mit dem wichtigen Engagement von freiwilligen und hauptberuflichen Einsatzkräften für die Sicherheit der Menschen auseinander. Im besten Fall kann das später einmal die Entscheidung stärken, sich selbst für eine Hilfsorganisation einzusetzen. Anerkannt wird diese pädagogische Dimension des nachahmenden Spielens in all seinen Formen vor allem seit dem 19. Jahrhundert. Das passt zur Entwicklung ehrenamtlich organisierter Hilfsorganisationen wie der Freiwilligen Feuerwehren. Diese haben sich im deutschsprachigen Raum ebenfalls im 19. Jahrhundert entwickelt – und die Verwendung des deutschen Wortes „Feuerwehr“ ist erstmals für das Jahr 1847 urkundlich belegt.

Zahlreiche traditionsreiche Spielzeughersteller haben sich über die Jahre und Jahrzehnte intensiv mit dem Thema Feuerwehr beschäftigt und dabei ihr Portfolio weiterentwickelt. Ein Beispiel sind die Klemmbaustein-Sets von Lego: Bereits 1958 hatte der Bausatz #308 für eine „Fire Station“ Premiere. Gebaut wurde damals aber nur das Gebäude, nicht die Löschfahrzeuge. Denn in den ersten Jahren produzierte Lego zu seinen Bausteinen noch herkömmliche Modellautos – beispielsweise eine Feuerwehrdrehleiter auf britischem Bedford-Fahrgestell. 1968 folgte das erste Feuerwehrauto aus Noppensteinen, 1970 gab es Löschfahrzeuge mit den neuen, kleineren Rädern, 1973 die Feuerwehre mit drei Fahrzeugen. Seither ist die Welt der Lego-Löschtrupps kontinuierlich gewachsen – inklusive Minifiguren mit wichtigem Werkzeug wie Pressluftatmern (seit 1978), Fahrzeugen und Feuerwehrwachen. Jede Menge Personal und Technik also für das Rollenspiel in Lego City rund um die Feuerwehr.

Die Zeitzeugen spielerischer Aneignung des Rettens, Löschens, Bergens, Spielens sind auch in vielen Museen zu erleben. Das österreichische Museum Traiskirchen beispielsweise zeigt seit März 2021 die umfangreiche Kollektion von Feuerwehrautomodellen, die Prof. Dr. Herbert Arndorfer in fast 60 Jahren als Sammler und Modellbauer aufgebaut hat. An der Schnittstelle zwischen Spielzeug und realem Fahrzeug steht eine Drehleiter, die seit 2007 zur Sammlung des Deutschen Feuerwehrmuseums in Fulda gehört: Ursprünglich gehörte das aus der Wirtschaftswunderzeit stammende Modell zu einem Kinderkarussell.

Lernen und üben

Jörg Jansen mit Feuerwehr Playmobil-Figuren

 Bei Jörg Jansen spielt die Feuerwehr im Spielzeug ebenfalls eine wichtige Rolle. Der 55 Jahre alte Gas- und Wasserinstallateur der Stadtwerke Iserlohn besitzt eine Sammlung aus rund 2.000 Playmobil-Figuren und rund 100 passenden Fahrzeuge. Damit kann der langjährige ehrenamtliche Brandschützer Feuerwehreinsätze aller Art nachstellen. Vor allem nutzt er das für die Brandschutzerziehung von Kindern und für die Ausbildung von Einsatzabteilungen. Er sagt: „Ein Vorteil ist, dass Playmobil als klassisches Spielzeug sehr häufig auf das Markenbranding von Fahrzeugen verzichtet und stattdessen gut wiedererkennbare Prototypen anbietet, deren Funktion für Fachleute genauso zu erkennen sind wie für Kinder“.

Angefangen hat alles vor rund 20 Jahren. Damals erklärte Jansen, seit 1992 in der Brandschutzpädagogik aktiv, in einem Kindergarten die Arbeit der Feuerwehr am Beispiel eines neuen Hausmodells. Doch den Mädchen und Jungen in der Kita fiel ein großes Manko an dem Lehrmittel auf: Weder Feuerwehrauto noch Einsatzkräfte waren in dem Diorama zu sehen. „Und wo ist jetzt die Feuerwehr“, fragten sie Jansen prompt. Der entschloss sich, die Szene mit im Maßstab passenden Playmobil-Figuren zu beleben. „Dann kam eine Drehleiter als erstes Fahrzeug dazu, dann weitere Feuerwehrautos und immer mehr Figuren“, lacht Jansen im Rückblick.

Bei Planspielen von Feuerwehren werden mit der Playmobil-Welt Einsätze nachgestellt.

Mittlerweile umfasst die Sammlung „nahezu alles, was es in Deutschland bei Feuerwehren gibt“, sagt Jansen, inklusive Leitstelle und Atemschutzstrecke. Die Grundlage bilden fast immer Playmobil-Modelle, die der Modellbauer nach Bedarf bearbeitet und individualisiert. Im Jahr 2008 stellte er seine Feuerwehr-Welten im Playmobil-Format erstmals in einer Ausstellung vor – das Echo des Publikums war gewaltig. Mittlerweile präsentiert der Mann aus Iserlohn die Dioramen und Szenen auch in den sozialen Medien und tauscht sich mit einem wachsenden Kreis von Interessierten aus. Die Kontakte kommen aus ganz Europa und darüber hinaus: „Mein am weitesten entfernter Fan ist ein Berufsfeuerwehrmann aus dem australischen Melbourne“, sagt Jansen. Nach wie vor setzt er seine Sammlung für die Brandschutzerziehung ein. Und bei Planspielen von Feuerwehren im Umkreis werden ebenfalls mit der Playmobil-Welt Einsätze nachgestellt. Da freuen sich die Einsatzleiter über die gleichen Stärken des Spielzeugs wie die Kinder im Brandschutzunterricht: „Die Arbeit mit den Figuren ist einfach extrem anschaulich“, sagt Jansen.

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Zur Produktgruppe Technisches Spielzeug, edukatives Spielzeug, Aktionsspielwaren

Über dem Autor

Geschichten über Technik und Menschen erzählen: Das fasziniert den Journalisten, Autor, Kulturwissenschaftler und Dozenten seit mehr als 30 Jahren. Technisches Spielzeug steht dabei immer wieder im Fokus, vom Baukasten bis zu interaktiven digitalen Lernspielzeugen. Nach Studium und Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität schreibt Peter Thomas für Tageszeitungen, Magazine und Unternehmenspublikationen im deutschen und englischen Sprachraum. Seine Schwerpunkte neben der Welt des Spiels sind Mobilitäts-, Sicherheits-, Energie- und Medizintechnik.

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