Botschafter der Nachhaltigkeit
Nürnbergs Spielzeugmuseum richtet sich an den 17 Zielen der Vereinten Nationen aus
Von Peter Budig
Das Nürnberger Spielzeugmuseum wandelt sich. Nach einem kompletten Umbau des Foyers präsentierte es am 26. Oktober 2021 die neue Empfangs- und Ausstellungsfläche der Öffentlichkeit.
Gestaltet und umgesetzt wurde das Foyer von den renommierten Museumsarchitekten Sunder-Plassmann & Werner aus Hamburg. Dem Team um Museumsleiterin Dr. Karin Falkenberg ist ein großer Wurf gelungen. Das hat gewiss auch damit zu tun, dass es hier nicht allein um einen architektonischen, designgetriebenen und den Anforderungen von Klimatechnik und Brandschutz genügenden Neuanfang geht. Die Museumsleiterin hat sich Großes vorgenommen. Im alten Haller’schen Haus aus dem 16. Jahrhundert, wo die Gründerin und Spenderin Lydia Bayer seit 1971 ein Museum von Weltruf geschaffen hat, will Dr. Falkenberg das „Emotionale Weltmuseum“ der Zukunft zu entwickeln. Emotion großgeschrieben! Sicher nicht zufällig kam kurz zuvor die „Nachricht aus dem Rathaus: Spielzeugmuseum stellt Gemeinwohlbilanz vor“. Hier geht’s ums große Ganze.
Nachhaltigkeit, Inklusion, Menschengemeinde
Seit 2014 ringt die Museumsleiterin mit Ihrem Haus. Freilich hat sie ein Museum von Weltruf übernommen, die Besucherzahlen sind grandios. „Das Spielzeugmuseum zeigt auf 1.400 qm Fläche alte Spielzeugschätze und neues Weltspielzeug: Lego, Barbie, Playmobil, Matchbox“ – so steht es immer noch auf der Homepage. Mit „zeigen“ will sich Karin Falkenberg nicht mehr zufriedengeben, das „alte Sammlungshaus hat ausgedient“. Ein „Emotionales Weltmuseum stärkt die Zukunftsfähigkeit von Stadt und Gesellschaft. Es fördert Weltverständnis, spielerischen Mut zu verantwortlichem Handeln … Spielzeug ist gemacht zum Begreifen der ‚Welt im Kleinen‘. Damit lassen sich alle 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen exemplarisch abbilden.“ So steht es in der Agenda 2030.
Große Worte, der gleich im neuen Foyer Ausstellungsformate folgen, die „für jedermann intuitiv begreifbar sein müssen“: Über einem flachen Tisch, der auch unterfahrbar (für Menschen im Rollstuhl) ist, tief genug für Kinder, schlüssig für den wissenschaftlichen Blick aufs historische Spielzeugthema, hängt eine wilde Pferdeherde. Den Anfang macht ein kleines, helles Räderpferdchen unter Glas – ein 2000 Jahre altes Sammlungsstück des Hauses dient als trojanischer Botschafter, der ganz klammheimlich zum Thema hinträgt. Die anderen wildgewordenen Fluchttiere streben in die Weite, sie stehen für Spielzeugtradition und schauen einfach total cool aus. Darunter, auf dem Tisch, eine Armee von Puppen, Teil der großen Menschengemeinde. Neben der klassischen Barbie mit 90-60-90-Blondinenperfektion, eine Rollifahrerpuppe, Kinder, Menschen, deren Äußeres asiatisch gelesen werden kann, Schwarze Puppen, Punks, Zitate aus der Filmgeschichte ... Emotion und Vielfalt im konkreten Ausstellungsgeschehen. Das ist tatsächlich etwas grundlegend anderes als eine Vitrinenschau.
Falkenbergs steile Ansage: jedes Jahr ein Stockwerk
1,1 Millionen Euro hat das neue Foyer gekostet, finanziert aus Erbschaften von Lydia Bayer, Margot Hundrisser und Ute Schmaja, aus Spenden und Stiftungsmitteln, wie denen der Gerd von Coll Stiftung, kein Euro aus Haushaltsmitteln: „Wir müssen immer zeigen, dass wir es können, erst dann gibt es Geld“, erläuterte Kulturbürgermeisterin Professor Julia Lehner. Dieses Foyer wird auch die politischen Entscheider unter Druck setzen, es hat das Zeug dazu. „Jedes Jahr ein weiteres Stockwerk“ hat sich die Medienhistorikerin Falkenberg für ihr Vier-Ebenen Haus als Renovierungsziel vorgenommen.
Das große Nachhaltigkeitsthema, orientiert an den 17 Zielen der Vereinten Nationen, den Sustainability Development Goals (SDGs), gespielt mit den Möglichkeiten der Spielzeugausstellung. Das zeigt schon jetzt die Sonderschau „Spielzeug und Rassismus“. Ein farbiger Blechmann, der einen Sklaventanz aufführt, hatte 2018 die Schwarze Museumsbesucherin aus den USA Adwoa Mtongo zum Rassismus-Vorwurf bewegt. Daraus hat Museumsmitarbeiterin Mascha Eckert eine Ausstellung gestaltet, die sieben Spielzeuge mit eindeutig rassistischen Bezügen umfasst, und so die Aufforderung des Leiters der Museen Dr. Eser umgesetzt: Machen Sie eine Ausstellung aus diesem Thema – gehen Sie an die Öffentlichkeit!“
Über den Autor:
Peter Budig hat Evangelische Theologie, Geschichte und Politische Wissenschaften studiert. Er war als Journalist selbstständig, hat über zehn Jahre die Redaktion eines großen Anzeigenblattes in Nürnberg geleitet und war Redakteur der wunderbaren Nürnberger Abendzeitung. Seit 2014 ist er wieder selbstständig als Journalist, Buchautor und Texter. Storytelling ist in allen Belangen seine liebste Form.