Ideen für den Kunststoff der Zukunft
Einblick in die Forschung: Abbaubarer Biokunststoff für Spielzeug
von Peter Thomas
Kunststoffe einfach wiederverwenden, um daraus Spielzeug herzustellen? Klingt prima, ist aber gar nicht so einfach. Lösungen für Spielwaren aus nachhaltigen Kunststoffen gibt es trotzdem. Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP) arbeitet sogar an abbaubarem Biokunststoff. Sie sind extrem vielfältig und leistungsfähig: Kunststoffe haben sich seit vielen Jahren als wichtigste Werkstoffe für Spielwaren etabliert. Hersteller suchen zurzeit aber Alternativen zur Verwendung klassischer Polymere. Denn diese werden noch zum allergrößten Teil aus den fossilen Quellen Erdöl, Erdgas und Kohle gewonnen. Die Idee dahinter: Den Ausstoß von CO2 bei der Produktion verringern. Einfach ist der Umstieg nicht. Das gilt insbesondere für die Wiederverwendung von bereits verarbeitetem Kunststoff. Dieses Recycling scheint zwar ein einfacher Weg zu sein. Doch für hochwertige Produkte wie Spielzeug käme nur sehr sortenreines und sauberes Material aus dem Wertstoffkreislauf infrage. Lego beispielsweise experimentierte mit dem Einsatz von recycelten Getränkeflaschen aus Polyethylenterephthalat (PET). Der dänische Konzern hat diesen Weg aber 2023 wieder verlassen, weil der große Aufwand das Recycling nicht nachhaltig gemacht hätte. Die Suche nach alternativen Materialien läuft weiter auf Hochtouren, Lego hat bereits mehrere hundert Kandidaten geprüft. Ein Teil der Klemmbausteine wird schon heute aus biobasiertem Polyethylen hergestellt. Ähnliche Wege gehen immer mehr Hersteller: Sie setzen auf Kunststoffe, die auf Pflanzen, organischen Reststoffen oder künftig auch auf grünem Wasserstoff basieren.
„Spielwaren halten wir für eine sehr gute Anwendung“
Was in der öffentlichen Diskussion über alternative Kunststoffe manchmal durcheinandergerät, sind die Eigenschaften von biobasierten und biologisch abbaubaren Materialien. Produkte aus dem ersten Bereich verbrauchen in der Herstellung zwar keine fossilen Ausgangsmaterialien. Wenn sie aber einmal ans Ende ihrer Nutzungszeit kommen und dann nicht sachgerecht entsorgt werden, können sie langfristig zum Umweltproblem Mikroplastik werden. Biologisch abbaubare Kunststoffe hingegen verbleiben nicht für viele Jahrzehnte als Mikroplastik in der Umwelt, sondern können sich binnen weniger Jahre abbauen. An solchen Werkstoffen arbeitet das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP) in Schwarzheide, erklärt Thomas Büsse. Der 63 Jahre alte Diplomingenieur hat das Verarbeitungstechnikum Biopolymere des IAP lange geleitet. Sein Nachfolger ist Dr. Jens Balko. „Man kann sich die Eigenschaft unserer Polymere ähnlich vorstellen wie das Abbauverhalten von Holz“, beschreibt Büsse. „Diese biobasierten Kunststoffe sind also sehr lange haltbar, wenn sie gut gepflegt werden. In der Umwelt hingegen baut sich beispielsweise unser Polybutylensuccinat binnen zwei bis drei Jahren ab, während herkömmliches Polyethylen mehrere hundert Jahre stabil bleibt.“
Bisher sind aus den Polymeren des IAP schon Brotboxen und Trinkflaschen erfolgreich in Kleinserien produziert worden. Nun sucht das Forschungsinstitut Partner für den Sprung in die industrielle Fertigung. Spielzeug ist dabei aus Sicht von Thomas Büsse vielversprechend: „Wir halten Spielwaren für eine sehr gute Anwendung. Denn unsere Materialien sind biobasiert und enthalten weder schädliche Additive noch ökologisch bedenkliche Farbstoffe. Dazu kommen die zukunftsweisenden Umwelteigenschaften.“
Großes Thema der Branche
Das Thema nachhaltiger Kunststoff ist in der Spielzeugbranche längst zum großen Thema geworden. Insbesondere in den vergangenen zehn Jahren hat es an Fahrt aufgenommen. Nachhaltige Kunststoffe bieten den Herstellern die Chance, Botschaften für einen verantwortungsvolleren Umgang mit der Umwelt zu platzieren. Beispiel Mattel: Bereits 2021 stellte das Unternehmen die Puppenlinie „Barbie Loves the Ocean“ vor. Eingesetzt wurde dabei Kunststoff, der zu rund 90 Prozent aus recyceltem Ocean-Bound-Plastik besteht. Damit werden Kunststoffe beschrieben, die in Gebieten ohne offizielle Müllabfuhr im Umfeld von Wasserstraßen gesammelt werden. Sonst würden sie nämlich ins Meer gelangen und dort zu Mikroplastik werden.
Auch Playmobil beschäftigt sich seit vielen Jahren intensiv mit dem Thema, erstmals kam schon 2013 ein gemeinsam mit dem World Wildlife Fund (WWF) entwickelter Schlüsselanhänger aus Biokunststoff auf den Markt. Die Strategie bei Playmobil ist ähnlich vielfältig wie bei anderen Marken: Die Ansätze reichen von Sammelfiguren aus Kunststoff, der zu mindestens 95 Prozent aus zuckerrohrbasierten Polymeren besteht, bis zum Recycling von Materialien aus Küchengeräten für die „Wiltopia“-Spielwelt. Beim Wiederverwenden stößt der fränkische Hersteller aber an dieselben Grenzen wie andere Spielzeugfirmen: Rezyklate aus der öffentlichen Kreislaufwirtschaft (sogenannte Post-Consumer-Materialien) seien nur schwer in der gleichen Qualität wie konventionelle Polymere erhältlich. Biobasierte Kunststoffe hingegen stellten kein Problem dar, sie sind in einer großen Bandbreite verfügbar.
Die Tücken des Recyclings
Kunststoff-Experte Thomas Büsse kennt die Tücken des Recyclings von Kunststoffen: Dass der Einsatz von Kunststoffrezyklaten in der öffentlichen Diskussion eine so große Rolle spielt, könnten Fachleute nur schwer nachvollziehen, sagt der Fraunhofer-Forscher. Er nennt zwei wichtige Gründe. Der erste ist die Chemie von Kunststoffen: Sie bestehen aus Makromolekülen, Ketten von zehn- bis hunderttausenden Atomen. Solche langen Molekülketten können bei der Wiederverwertung durch Temperatur und Mechanik brechen, dann ändern sich thermische und mechanische Eigenschaften. Metalle hingegen bestehen aus einzelnen Atomen, weshalb sie in der Kreislaufwirtschaft erfolgreich immer wieder eingeschmolzen und wiederverwendet werden können. Der zweiten Punkt ist die Vielfalt der Polymere: Hochwertiges Recycling von Kunststoffen ist nur bei ganz sortenreinen Granulaten möglich. In der Realität jedoch wird eine große Bandbreite von Stoffen gemeinsam für die Wiederverwertung gesammelt, beispielsweise über den Gelben Sack. Diese Fraktionen zu trennen ist aufwendig und teuer. Dazu kommt die Verschmutzung der Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft. „Es ist kaum daran zu denken, daraus ein bedenkenlos einsetzbares Kunststoffteil für Kinderspielzeug zu machen,“ sagt Thomas Büsse. Das Fraunhofer-Institut setzt daher für seine biologisch abbaubaren Kunststoffe auf die Herstellung neuer Polymere. Als Grundlage dienen biobasierte Materialien. „Die Rohstoffsuche ist ein wesentlicher Teil unseres Projektes“, erläutert der Forscher, „wir haben als eine vielversprechende Quelle zum Beispiel zellulosehaltige Abfälle in der Region identifiziert. Dazu zählen Schadholz, kommunaler Grünschnitt und Gärreste. Auch Abfälle aus der papierherstellenden Industrie wären denkbar.“
Hohes Innovationspotenzial
Die Beispiele zeigen, wie die Spielwarenindustrie vom hohen Innovationspotenzial im Bereich nachhaltiger Kunststoffe profitieren kann. Hinsichtlich ihrer chemischen und mechanischen Eigenschaften halten neue Werkstoffe mit seit Jahrzehnten etablierten Polymeren mit. Wegen der zurzeit noch höheren Kosten kommen sie zunächst vor allem für hochwertige Produkte zum Einsatz – eben beispielsweise für Spielwaren.
Über den Autor
Geschichten über Technik und Menschen erzählen: Das fasziniert Peter Thomas, den Journalisten, Autor, Kulturwissenschaftler und Dozenten seit mehr als 30 Jahren. Technisches Spielzeug steht dabei immer wieder im Fokus, vom Baukasten bis zu interaktiven digitalen Lernspielzeugen. Nach Studium und Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität schreibt Peter Thomas für Tageszeitungen, Magazine und Unternehmenspublikationen im deutschen und englischen Sprachraum. Seine Schwerpunkte neben der Welt des Spiels sind Mobilitäts-, Sicherheits-, Energie- und Medizintechnik.