PlayBack - Raus aus der Spielzeugkiste, rein in die Kreislaufwirtschaft
Von Sibylle Dorndorf
Wer wünscht sich schon kaputtes Spielzeug zum Geburtstag? Die Antwort lautet: Fisher-Price. Die bekannte Spielzeugmarke rief anlässlich ihres 90. Bestehens im Jahr 2020 die Kundschaft dazu auf, bespieltes Spielzeug einzusammeln. In sechs Rewe Centern hofften kunterbunte Fisher-Price Container auf Ware.
Recycling nach Rückgabe
Und die ließ nicht lange auf sich warten, so Anne Polsak, Leiterin der Unternehmenskommunikation bei Mattel DACH: „Wir waren über die Bereitschaft der Eltern und Kinder, uns ihr altes und kaputtes Spielzeug zurückzubringen, positiv überrascht. Zum Erfolg der Aktion trug sicher bei, dass wir den Konsumenten die Rückgabe einfach gemacht haben.“ Das und das Ziel des Unternehmens, bis 2030 nur noch Spielzeug und Verpackungen zu 100 Prozent aus recycelten, recycelbaren oder biobasierten Kunststoffen auf den Markt zu bringen, war im Jahr 2021 die Initialzündung für die PlayBack-Aktion. Sie beinhaltet unter anderem, dass Verbraucher in Deutschland kaputtes oder ausrangiertes Mattel-Spielzeug kostenlos an das Unternehmen zurückschicken können, statt es wegzuwerfen. Mattel gewinnt die Materialien zurück, um sie als recycelte Bestandteile in neuen Produkten wiederzuverwenden. PlayBack geht ganz einfach: Man registriert sich auf der Mattel-Homepage, bekommt per Mail ein Versandetikett, das druckt man aus, packt die Produkte in einen Karton und gibt ihn an der nächsten Postfiliale ab. Via kostenlosem DHL-Green-Versand landen dann in die Jahre gekommene Barbie-Puppen, Matchbox-Autos, Actionfiguren und das abgeliebte Fisher-Price Spielzeug bei Recyclingunternehmen. Für jedes gesammeltes Kilogramm Plastik spendet Mattel einen Euro an die Kinderhilfsorganisation Bild hilft e. V. „Ein Herz für Kinder“.
Kreislaufwege bahnen
Nun war gutes Spielzeug noch nie ein Wegwerfartikel, sondern heiß begehrte Ware auf Flohmärkten, schlummernder Schatz auf Dachböden und Lebensbegleiter mehrerer Generationen. Seit das Bewusstsein für nachhaltigen Konsum gewachsen ist, sind Unternehmen angehalten, geeignete Angebote zu machen. Dazu Anne Polsak: „Den Handel einzubinden und Rücknahmen über Spielwarengeschäfte laufen zu lassen, wäre eine gute Lösung, um die Konsumenten darauf aufmerksam zu machen." Doch nach Meinung des überwiegenden Teils der Händlerschaft ist die Spielzeug-Rücknahme neben dem Tagesgeschäft nicht durchführbar.
DVSI testet Pilot-Projekt für Spielzeugrücknahme
Erste Versuche einiger Spielwarenunternehmen, dies in die Praxis umzusetzen, scheiterten. Gefordert sind nun übergeordnete Branchenlösungen. An einer solchen arbeitet der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie, das bestätigt DVSI-Geschäftsführer Ulrich Brobeil. Gemeinsam mit dem Entsorgungsdienstleister Zentek startete der DVSI Anfang des Jahres ein bundesweit einmaliges Projekt. Von Januar bis Ende März 2023 konnte auf dem Wertstoffhof in Neustadt bei Coburg kaputtes Spielzeug in eigens dafür aufgestellten Gitterboxen abgegeben werden. Auf Basis dieses Pilot-Projekts werden derzeit die Verwertungsmöglichkeiten von ausrangierten Puppen, Plüschtieren & Co. geprüft. Doch einfach ist auch das nicht. Spielwaren bestehen häufig aus vielen unterschiedlichen Materialien. Nicht alle sind wiederverwertbar und trennbar. Besonders schwierig ist es, wenn Teile fest miteinander verbaut sind. Ein scheinbar endloser Kreislauf, den Mattel mit der Initiative PlayBack zu durchbrechen versucht.
HolyPoly setzt Kunstoffrecycling-Kreisläufe in Gang
Zu diesem Zweck hat sich das Unternehmen mit dem Start-up HolyPoly zusammengetan, dessen vielsagendes Motto lautet: „Plastik. Kreislauf. Spielend einfach.“ Hinter dem HolyPoly-Konzept steht praktisches Know-how aus dem Kunststoffrecycling. Die in Dresden ansässigen „Plastik-Problemlöser“ begleiten seit Anfang 2021 Markenhersteller dabei, eine funktionierende Kreislaufwirtschaft in Gang zu setzen. Wie so etwas in der Praxis aussehen kann, erläutert HolyPoly-Mitbegründer Fridolin Pflüger: „Wir beschränken uns nicht auf gute Ratschläge, sondern übernehmen die komplette Ausführung. So stellen wir sicher, dass die Projektziele tatsächlich erreicht werden. Es fängt damit an, dass wir mit dem Kunden den jeweils individuellen Pfad zur Kreislaufwirtschaft erkunden und gemeinsam festlegen, welcher Schritt als nächstes unternommen wird.“ Klingt einfacher als es ist. Die Herausforderungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette sind vielfältig.
Spielzeugsammlung als Recyclingprojekt für Schulen
Fridolin Pflüger nennt als gutes Beispiel für gelungene Kreislaufwirtschaft das Recyclingprogramm PlayBack, das Ende 2022 in die zweite Runde gestartet ist. Gemeinsam mit dem Sammelsystem „Sammeldrache" ruft Mattel nun Schulen dazu auf, beim Recyclingprojekt mitzumachen... Teilnehmende Einrichtungen bekommen Boxen zugesendet, in denen kaputtes Spielzeug aus den Kinderzimmern gesammelt werden kann. Für jede mit Plastikspielzeug gefüllte Box erhalten die Einrichtungen sogenannte „Grüne Umwelt -Punkte“, die sie dann im Sammeldrache-Shop gegen Prämien wie Sportgeräte, Lern- oder Bastelmaterialien, Bücher, IT-Equipment, technische Ausstattung oder Spielzeug eintauschen können. Parallel dazu bietet Mattel eine Methodensammlung für Lehrkräfte auf der PlayBack-Webseite zum Download an, so dass Hintergründe zu Kreislaufwirtschaft und bewusstem Konsum auch im Unterricht an die Kinder weitergegeben werden können. Die Lehrmaterialien wurden gemeinsam mit der Dresdner Kunststoffschmiede, die sich für Umweltbildung einsetzt, entwickelt. Ein solches Engagement generiert keine Sales, jedoch entsteht ein Mehrwert für das jeweilige Unternehmen hinsichtlich einer glaubwürdigen Nachhaltigkeitskommunikation. „R&D und Marketing kommen im besten Sinne zusammen“, so Fridolin Pflüger. „Daten- und faktenbasierte Ergebnisse bieten authentische Geschichten der Unternehmenstransformation und bilden die Grundlage für wirtschaftlich funktionierende Materialkreisläufe.“
Handel kann in Kreislaufwirtschaft doppelt punkten
Was nicht nur bei Mattel Anklang finden dürfte: Das HolyPoly-Konzept bindet auch den Handel mit ein. Dazu Pflüger: „In unseren Recyclingprogrammen haben wir bereits erfolgreich mit Handelsunternehmen zusammengearbeitet. Der Handel besitzt die besondere Eigenschaft, dass er als Anlaufstelle für Konsumenten dient, die sich über das Warenangebot beraten und informieren möchten. Deshalb ist es sinnvoll, an diesen Verkaufsstellen auf Rückgabemöglichkeiten hinzuweisen oder direkt Rückgabeangebote zu machen. Dies gilt für den stationären und den online Handel gleichermaßen. Allerdings reicht das bloße Aufstellen von Sammelboxen nicht aus, um Rücknahmesysteme im Verbraucherverhalten zu verankern. Doch um Kunden über den Umgang mit dem Produkt am Ende der Produktlebensdauer aufzuklären, sind umfassendere Maßnahmen notwendig. Dazu zählt beispielsweise, schon während des Einkaufs auf die vorhandenen Rückgabemöglichkeiten hinzuweisen. Hierfür sollten Hersteller den Händlern die notwendigen Informationen, Wege und Mittel bereitstellen.“
Recyclingangebote müssen Lust auf Mitmachen wecken
Der Erfolg der Werbekampagne „Ich war eine Dose“ in den 80er Jahren war ein Gamechanger. Am Anfang stand der Schock der Ölpreiskrise 1973. Sie machte den Deutschen schlagartig klar, dass natürliche Ressourcen begrenzt sind. Ein Umdenken fand statt. Themen wie „Energie sparen“, „Natur bewahren“, „Rohstoffe schonen“ rückten in den Fokus. Recycling spielte dabei eine Schlüsselrolle. Teile der Bevölkerung fingen an, freiwillig ihren Müll zu trennen. Ende der 1970er tauchten neben den Altpapier-Sammelstellen die ersten Altglascontainer auf. Mitte der 1980er sorgte dann die Kampagne „Ich war eine Dose“ des 1970 gegründeten Informationszentrums Weißblech (IZW) für Aufsehen und Gesprächsstoff. Sie leitete einen Umdenkungsprozess ein und setzte eine Benchmark im Verpackungssektor – und nicht nur da.
Vom On-Boarding zum Off-Boarding
PlayBack kann noch mehr. Es ermöglicht eine Nutzererfahrung am Ende des Produktlebenszyklus, die im Gegensatz zur Einführung und zum Verkauf bisher wenig Beachtung gefunden hat. Um das zu erreichen, müssen Handel und Hersteller gleichermaßen Verantwortung übernehmen und gemeinsam im Sinne eines gut gestalteten Produkt Off-Boardings aktiv werden. Denn Spielzeuge sind und bleiben wertvolle Lebensbegleiter, wenn auch im Sinne von PlayBack in etwas abgewandelter Form.
Über HolyPoly
Die 2020 gegründete HolyPoly GmbH hilft verantwortungsbewussten Marken dabei, Plastik im Kreislauf zu halten – als Full-Service Partner für den hochwertigen Einsatz recycelter Kunststoffe und den Aufbau innovativer Recyclingprogramme. Die Mission des Start-Ups ist es, Recycling von der Ausnahme zur Selbstverständlichkeit zu machen und nachhaltige Kunststoffprodukte gemeinsam mit Marken in die Serie zu bringen: Möglichst zu 100 Prozent recycelt und zu 100 Prozent recyclingfähig.
Über die Autorin
Sibylle Dorndorf schreibt seit fast 30 Jahren über die Spielwarenbranche, zuletzt war die Fachjournalistin Chefredakteurin der TOYS-Magazinfamilie im Göller Verlag, Baden-Baden. Ihre Passion: Unternehmen, die sich neu erfinden, Marken, die sich glaubwürdig positionieren, Menschen, die etwas zu sagen haben und Produkte mit Zukunft.