Wo stehen wir in Sachen Nachhaltigkeit?

Interview mit Sonia Sanchez, STAC

Die Spielwarenindustrie hat in den letzten zehn Jahren einige Fortschritte in Sachen Nachhaltigkeit gemacht. Das gilt für unterschiedliche Bereiche, wie z.B. die FSC-Zertifizierung, mit der sichergestellt werden soll, dass die Wälder, aus denen das Holz stammt, umweltschonend bewirtschaftet werden. Diese Zertifizierung ist bei vielen Herstellern bereits Standard. Auch kommen Spielwaren mittlerweile ohne unnötige Kunststoffe aus und Plastiktüten und Blisterverpackungen mit Plastikcover gehören vielerorts der Vergangenheit an. Stattdessen sind recycelte Kunststoffe zum neuen Standard in der Spielwarenindustrie geworden.

Verantwortung für künftige Generationen

Sonja Sanchez (links) auf der Spielwarenmesse 2024

Trotzdem gibt es viele Stimmen, die sagen, dass die Spielwarenbranche hier mehr tun könnte und auch sollte, damit auch zukünftige Generationen sorgenfrei in einer intakten Umwelt spielen können. Sonia Sanchez, Mitbegründerin des Beratungsunternehmens Sustainable Toys Action Consulting (STAC), schreibt dazu Folgendes:

„Der Spielwarenindustrie fehlt es an Leadership. Bisher war man nicht in der Lage, eine deutliche Vision für eine nachhaltige Zukunft zu formulieren, was aber von entscheidender Wichtigkeit wäre, um Leitlinien für Entscheidungen zu haben und Schwerpunkte beim Energie- und Ressourcenverbrauch zu definieren. Deswegen gibt es in der Spielwarenbranche keine einheitliche Strategie und keine eindeutige Definition, was Nachhaltigkeit bei Spielwaren eigentlich bedeutet.“

Ablehnung von synthetischen Kunststoffen

Nachhaltigkeit und Umweltauswirkungen sind nicht nur ethische Themen, sondern auch kaufmännisch relevant. Wenn man heute eine SWOT-Analyse der Spielwarenbranche durchführt, dann besteht eines der größten identifizierbaren Risiken darin, dass die Verbraucher Spielwaren ablehnen könnten, die aus synthetischen Kunststoffen gefertigt sind. Spielsachen mit Kunststoffbestandteilen machen aber immer noch den Großteil der heute verkauften Toys aus. Das ist ein großer Risikofaktor für die Hersteller. Und dann kommt noch dazu, dass man zukünftigen Kinder- und Produzentengenerationen unseren Planeten in einem bewohnbaren Zustand hinterlassen möchte, damit diese sich weiterhin an Spielzeug erfreuen können.

Biokunststoffe warten auf den Durchbruch

Fairnesshalber darf auch nicht verschwiegen werden, dass es bereits viele Newcomer im Spielwarenmarkt gibt, die bei der Produktion auf Biokunststoffe setzen, und auch viele Big Player bereits Initiativen zur Verwendung von Biokunststoffen auf den Weg gebracht haben.

Sonia Sanchez meint: „Wenn wir mit den Herstellern sprechen, geht es meistens um verschiedene Herausforderungen beim Einsatz von umweltschonenderen Polymeren wie z.B. recycelte oder biobasierte Kunststoffe. Ein wichtiger Punkt ist hier die Preissensibilität der Verbraucher, die sich oft nur schwer mit den höheren Preisen für biobasierte Kunststoffe unter einen Hut bringen lässt.“

Offensichtlich gibt es bei diesem Thema also eine gewisse Kluft zwischen dem Potenzial von Biokunststoffen und den finanziellen Implikationen eines Einsatzes im Massenmarkt. Wenn man sich Angebote von Herstellern für Produkte auf der Basis von Biokunststoffen einholt, dann sind die Kosten oftmals 50-60% höher als die von Produkten aus erdölbasiertem Plastik. In einem so preissensiblen Markt wie dem für Spielwaren sind diese hohen Kosten kommerziell nicht darstellbar. Diese Situation ist allerdings nicht in Stein gemeißelt, denn bei Werkstoffen hängen die Kosten auch von der kritischen Masse ab. Es wird wahrscheinlich, wenn nicht sogar zwangsläufig so sein, dass Biokunststoffe bei der Herstellung von Konsumgütern (nicht nur aus dem Bereich der Spielwaren) so stark nachgefragt werden, dass eine bestimmte kritische Masse überschritten wird. Die Frage ist nur, wie schnell das passiert.

Mehr Anwendungen für Biokunststoff

Sonia Sanchez erklärt, dass viele Menschen zu wenig über Biokunststoffe und deren Einsatzmöglichkeiten wissen:

„Biokunststoffe gibt es in vielerlei Formen. Oftmals handelt es sich um Drop-in-Lösungen, die molekular gesehen mit herkömmlichen Kunststoffen auf Erdölbasis identisch sind und dieselben Eigenschaften aufweisen. So hat Bio-PE genau die gleichen Eigenschaften wie traditionelles PE und kann in denselben Gussformen verwendet werden. Auch bei den chemischen und physikalischen Eigenschaften und bei der Sicherheit muss man keine Abstriche machen. Aktuell sind Biokunststoffe aber noch teurer und kommen daher für größere Spielwaren meist nicht in Frage. Bei vielen anderen Spielsachen, wo die Materialkosten nur einen Bruchteil der Gesamtkosten ausmachen, sieht es dagegen ganz anders aus.

Sonia Sanchez emphasises the benefits of bioplastics: Die meisten biobasierten Kunststoffe werden aus landwirtschaftlichen Nebenprodukten hergestellt, sodass der Lebensmittelproduktion kaum Flächen entzogen werden. Für die Herstellung von biobasiertem PE werden beispielsweise Abfallprodukte aus der Zuckerraffination verwendet. Biobasierte Kunststoffe fördern die Kreislaufwirtschaft, denn es kommen Abfallstoffe zum Einsatz und der CO2-Abdruck wird verringert – das ist heute viel wert. Natürlich reagieren Märkte manchmal unvorhersehbar und es besteht die Gefahr einer Fehlallokation von Flächen oder einer Rodung von Wäldern, aber dem kann man durch Regulierung und unabhängige Zertifizierungsstellen begegnen. Aktuell werden nur sehr wenige Flächen für die Produktion von Rohstoffen für Biokunststoffe verwendet. Aus meiner Sicht macht es keinen Sinn, auf die die umwelttechnischen Vorteile von biobasierten Kunststoffen zu verzichten, nur weil es ein Risiko gibt, das erstens beherrschbar ist und zweitens wahrscheinlich gar nicht eintreten wird.“

Biokunststoffe verringern den CO2-Fußabdruck

Offensichtlich sind Alternativlösungen in Form von Biokunststoffen für die Spielwarenbranche also sehr viel machbarer, als Produzenten und andere Player aus dem Toy Business bisher wahrhaben wollen. Zumindest der Vorschlag, Biokunststoffe bei Produkten einzusetzen, in denen der Kunststoffanteil gering ist, dürfte einfach umzusetzen sein. Man denke z.B. an Brettspiele, bei denen das Spielbrett bereits aus FSC-zertifizierten Materialien besteht, die Spielfiguren aber immer noch aus herkömmlichem Kunststoff gefertigt werden. Und auch Puppen-Zubehör könnte aus Biokunststoffen hergestellt werden, selbst wenn das für die Produktion der Puppe selbst bisher finanziell noch nicht darstellbar ist.

Ausblick auf das Wachstum von Biokunststoffen

Wichtig ist auch, was sich in anderen Branchen im Bereich Biokunststoffe tut. Das Besondere an der Spielwarenbranche ist, dass ein großer Marktanteil hier auf kleine und mittlere Unternehmen entfällt. Diese mittelständisch geprägten Betriebe tun sich schwer damit, große Initiativen voranzubringen, denn dafür fehlt es ihnen an organisatorischen Ressourcen, Fachabteilungen und Mitarbeitern, die sich neben dem Tagesgeschäft auch noch um solche Fragen kümmern können. Bei den schnelldrehenden Konsumgütern gehen die großen Player sehr viel energischer vor, denn sie sehen dieselbe Gefahr: dass Verbraucher synthetische Kunststoffe in Zukunft ablehnen könnten. Deswegen werden diese Unternehmen beim Übergang zu Biokunststoffen eine wichtige Rolle spielen.

Wenn man sich anschaut, wo die Spielwarenbranche aktuell in Sachen Nachhaltigkeit steht, hat man nicht unbedingt den Eindruck, dass Chancen, mit denen die Umweltbelastung schnell und effektiv reduziert werden kann, in letzter Zeit umfassend genutzt wurden. Deshalb müssen wir uns jetzt stärker ins Zeug legen und Lösungen finden, die uns mehr abverlangen, um die Transformation zu erreichen.

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Zu Toys go Green

Über den Autor

Steve Reece ist seit 25 Jahren in der Spielwarenbranche tätig. Er hat früher bei Hasbro klassische Marken wie Monopoly, Play-Doh und Trivial Pursuit verantwortet. Mittlerweile berät er mit seiner eigenen Agentur Kids Brand Insight Unternehmen dazu, wie sie ihren Umsatz im Ausland steigern, robuste diversifizierte Lieferketten aufbauen und die richtigen Mitarbeiter finden können.

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