100 Jahre Bauhaus: Spurensuche im Spielzeugdesign

100 Jahre alt wurde das Bauhaus im Jahr 2019. Die einflussreichste Schule für Architektur, Design und Kunst des 20. Jahrhunderts hat wie kein anderer Stil das Lebensgefühl und den Geschmack von Generationen weltweit geprägt. Die „Rebellen“ von damals schrieben Geschichte und schufen in den 14 Jahren, die das Bauhaus bestand, nicht nur Kultobjekte und zeitlose Möbel-Klassiker, sondern auch pädagogisch wertvolles Spielzeug.

Mythen, einmal in der Welt, halten sich hartnäckig. Das Bauhaus liefert sie seit 100 Jahren. Zu den hartnäckigsten zählt, das Bauhaus-Design immer nur kühl, funktional und minimalistisch sein muss. Bauhaus-Gründer Walter Gropius wollte was anderes. In seinem Gründungsmanifest von April 1919 hieß es explizit, dass man alles „Starre“ zu vermeiden und das „Schöpferische“, „Individuelle“ zu bevorzugen sei. Das ist, aus heutiger Perspektive, gehörig schief gegangen. Was kein „Stil“ werden wollte, ist in den 14 Jahren, von 1929 bis 1933, und durch die Nachkriegsmoderne zu einem weltweiten „Stil“ geworden. Schon Hannes Meyer, der zweite Direktor des Bauhauses, musste 1930 nach seiner fristlosen Entlassung feststellen: „Als Bauhausleiter bekämpfte ich den Bauhausstil.“ Vergeblich! Nach dem Bauhaus konnte sich kein Stil mehr dauerhaft etablieren, weltweit. Das Bauhaus wurde der wichtigste Beitrag Deutschlands zur Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts.

„Lego“ als Vision

Das 3D-Legespiel Rubius von HABA lässt sich in unzähligen Varianten legen, stapeln und bauen.

Die Neuen Meisterhäuser der berühmtesten Künstlerkolonie der Welt dürften maßgeblich dazu beigetragen haben, diesen Mythos von Purismus und Minimalismus zu begründen. Sie sind nach dem Umzug von Weimar nach Dessau 1925/26 entstanden und vor fünf Jahren saniert der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Was vielleicht als Konzept von „Neuem Wohnen“ und Experiment für serielles Bauen gedacht war, wirkt mit seinen ineinander verschachtelten Körpern wie hermetisch abgeschlossene Kuben. Es ist, als hätte ein imaginärer Lego-Stein die Matrix geliefert und den Bleistift Gropius’ geführt. Dennoch, in den sieben Jahren, die das Bauhaus in Dessau existierte, entstanden die bekanntesten Bauten und Produkte, die unser Bild vom Bauhaus bis heute prägen. Und, nur wenige Monate nach Aufnahme des Lehrbetriebs, wurde im November 1925 die Bauhaus GmbH zur Verwertung der an der Schule entwickelten Produkte gegründet.

Synonym für Fortschritt

Vielleicht ist es genau dieser Widerspruch zwischen dem Anspruch, die das Manifest von 1919 formulierte, und dem, was aus einer Idee wurde, die zwar die Welt eroberte, sich aber anmaßte, sie durch Gestaltung verändern zu können, um am Ende Luxusgüter und Design-Ikonen hervorzubringen. Das Bauhaus war von Anfang an ein ehrgeiziges gesellschaftspolitisches Projekt mit dem „Gesamtkunsthandwerker“ an der Spitze, der alle „werkkünstlerischen Disziplinen“ (Gropius) in sich vereint. Unstrittig bleibt, dass sich keine andere Schule in einer von Krisen geprägten Zeit so intensiv damit beschäftigt hat, wie politische, ökonomische, soziale und kulturelle Umbrüche mit den Mittel der Gestaltung kontrolliert werden können.

Kinderwiege von Peter Keler. Klassik Stiftung Weimar. © Jan Keler

Die Fragen haben angesichts der digitalen Transformation, von Künstlicher Intelligenz und Biotechnologie nichts an Aktualität verloren: Wie wollen wir Alltag, Wohnen und Zusammenleben gestalten? Und auch: Wie sollen unsere Kinder zukünftig spielen? Womöglich sind es genau diese Fragen, die viele Architekten und Designer auch heute noch beschäftigen. Der Düsseldorfer Star-Architektur Christoph Ingenhoven monierte 2016 die Erstarrung der Bauhaus-Idee zu reinen Luxusgütern und die „gefährliche Verwertbarkeit der Bauhaus-Ästhetik“, als er auf die Frage, wie das Bauhaus seine Arbeit beeinflusse, antwortete. Es sagte, dass es richtig sei, zum Jubiläum dem Bauhaus Museen zu bauen, weil es dort auch hingehöre. Für Ingenhovens berühmten New Yorker Kollegen Daniel Liebeskind verhält sich nicht ganz so einfach. Themen wie die Klarheit des Denkens und das politische Engagement sind für ihn auch in der Post-Bauhaus-Ära relevant.

Mission Weltverbesserung

Mit dem reformpädagogischen Ansatz für einen „neuen Menschen“ steht das Bauhaus nicht alleine, aber hinsichtlich der Imagewerte am besten in der Geschichte der Weltverbesserungen da. In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts ist es vor allem die 1953 gegründete Ulmer Hochschule für Gestaltung, die von einem vergleichbaren Optimismus beseelt war, die Welt gestalterisch zu verändern. Reformpädagogisch will auch der nur ein Jahr später gegründete Arbeitsausschuss Spiel Gut wirken, der sich vor allem um den aufgeklärten Konsumenten in einem freien Markt sorgt. In den 70er Jahren hinterlässt eine durch Waldsterben und Wirtschaftskrise erstarkende Umweltbewegung Spuren in der Spielzeugbranche. In Deutschland wird puristisches Holzspielzeug wieder zum Renner. Eine neu sich formierende Gruppe von Spielzeughändlern wirbt damit, das „richtige Spielzeug“ im Regal zu haben. Was nach Adorno und seiner Minima Moralia klingt: Es gibt kein richtiges Spielen mit falschem Spielzeug! Das Ziel, die Welt besser zu machen, hat das Bauhaus nicht exklusiv.

Auch das Bauhaus hat eine Vorgeschichte, wie die Spielzeugschubkarre Gerrit Thomas Rietveld eindrucksvoll zeigt. © VG Bild-Kunst, Bonn 2018. Foto: Thomas Goldschmidt

Zu den immer wiederkehrenden Erzählungen zählt auch die von der „weißen Moderne“. Sie ist mehr Mythos als Realität. Einem nicht verbürgten Bonmot zufolge soll Gropius sogar einmal gesagt haben, dass seine Lieblingsfarbe „bunt“ sei. Farbe war nicht nur ein dekoratives Element für die „Meister“, wie die Lehrenden am Bauhaus hießen, sie war auch ein Mittel der Gestaltung. Das zeigt sich u.a. am Meisterhaus Kandinsky/Klee. „Keiner wird nach diesem Jahr mehr das Bauhaus auf weiße Kuben und Stapelmöbel reduzieren“, verspricht deswegen auch Regina Bittner, stellvertretende Direktorin der Bauhausstiftung in Dessau in einem Gespräch Anfang Februar 2019 mit einer Berliner Tageszeitung.

Arbeiten und Spielen gehören zusammen

Wie bunt es in den 14 Jahren zwischen den 1.287 Studierenden aus 29 Staaten – 20 Prozent waren Ausländer! – zuging, belegen nicht nur die legendären Feste. Tanz, Spiel, Bühne zählten ebenso zur Ausbildung wie etwa der Umgang mit Formen, Farben und Materialien in der Vorlehre oder die Unterweisung in Holzverarbeitung, Weben oder Fotografie. Das Neue Museum Nürnberg weist in seiner aktuellen Ausstellung BAU [SPIEL]HAUS darauf hin, dass das Bauhaus die menschliche Motivation zum Spielen gezielt genutzt hat. Die Bauhäusler selbst betonten immer wieder, dass es vor allem die Kreativität fördernde Atmosphäre am Bauhaus gewesen sei, die ihnen in Erinnerungen geblieben ist. Und wo zeigt der Mensch mehr Kreativität als beim Spielen, sieht man einmal von der Börse ab, was aber wohl aufs Gleiche hinausläuft!

Tapeten und Spielzeug brachten Geld

Kleines Schiffbauspiel von Alma Siedhoff-Buscher. Nachbau der Schweizer Firma Naef. © Naef Spiele AG

Während die Welt heute bei Bauhaus an Leuchten und Stahlrohrmöbel denkt, zählte gerade Spielzeug zu den wirtschaftlich erfolgreichsten Bauhaus-Produkten der damaligen Zeit, auch dank der Arbeiten von Alma Siedhoff-Buscher. Sie gilt als die prägende Gestalterin für Spielzeug und Kindermöbel, die zudem das Kinderzimmer im „Haus am Horn“ in Weimar einrichtete, heute Weltkulturerbe. Alma Siedhoff-Buscher entwickelte Spielzeug, das sowohl zum Nachahmen animierte als auch freien Spielen erlaubte. Ihr in leuchtenden Farben gehaltenes „Kleines Schiffbauspiel“ wird bis heute produziert. Es ist „Bauhaus pur bunt“ sozusagen, denn das Schiffbauspiel wird auf wenige geometrische Module reduziert – was an die Spielgaben des Pädagogik-Reformers Friedrich Fröbel erinnert. Tatsächlich hatten seine pädagogischen Vorstellungen großen Einfluss – u.a. auf den Holzbildhauer Theodor Artur Winde, Paul Klee und eben Alma Siedhoff-Buscher.

Alma Siedhoff-Buscher Wurfpuppen um 1924 (Reproduktion, 1990er-Jahre)© Joost Siedhoff. Foto: Roman März.jpg

In ihrem letzten Jahr am Bauhaus entwarf Siedhoff-Buscher Bastelbögen und Malfibeln für den Verlag Otto Maier Ravensburg. Hauptverkaufsschlager waren allerdings ihre aus Bast hergestellten Wurfpuppen. Auch Paul Klee baute faszinierende Handpuppen, die zwischen Kunstwerk und Spielzeug angesiedelt waren. Lyonel Feininger entwarf Figuren und Eisenbahnen aus Holz, Oskar Schlemmer Gliederpuppen und Ludwig Hirschfeld-Mack eine modulare pädagogische Puppenstube, die IKEA zum Vorbild gereichen würde. Das Bauhaus wollte offensichtlich nicht nur die Welt durch Gestaltung besser und schöner machen, sondern auch die „ästhetische Erziehung“ verändern.

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