Brettspiele als Kulturerbe ausgezeichnet

UNESCO-Kommission in Thüringen nominiert „Deutsche Brettspielkultur“ für Bundesliste

Von Peter Budig

Die Techno Kultur in Berlin, Hip Hop in Heidelberg, der Zirkus als darstellende Kunst, die Passionsspiele Oberammergau, die Fürther Michaeliskirchweih, der Poetry Slam und die deutsche Brettspielkultur – sie alle haben eines gemeinsam: Sie sind ausgezeichnet als „Immaterielles Kulturerbe“ gemäß den Richtlinien der UNESCO. Die Brettspielkultur vorerst nur im Bundesland Thüringen, doch Bestrebungen laufen, sie auf die Bundesliste zusetzen.

Jahrelange Bemühungen endlich belohnt

„Ein hartes Brett musste durchbohrt werden“, seufzte Tom Werneck, als es geschafft war. Seit Jahren laufen Bestrebungen, zunächst in Bayern, dann in Thüringen, um das „Kulturgut Spiel“ als Immaterielles Kulturerbe zu installieren. Werneck ist „Long Distance Running“ gewohnt, wenn es um seine Brettspielbranche geht. Er hat viele Schlachten geschlagen, einst als Gründungsmitglied des Vereins „Spiel des Jahres“ oder als Gründer eines eigenen Spielearchivs. Seine in Haar bei München installierte „Game Inventors Convention“ („Internationale Spieleerfindermesse“), ist inzwischen auf die Spielwarenmesse Nürnberg umgezogen. Diesmal hatten sich etliche schwergewichtige Kämpfer für die gute Kultursache zusammengetan: Prof. Dr. Karin Falkenberg, Leiterin des Nürnberger Spielzeugmuseums, die Grande Dame der Spielewelt in Österreich, Dagmar de Cassan (Spielefest Wien und Spenderin von 31.000 Brettspielen für Altenburg), Prof. Dr. Jens Junge, der einen Spiele-Lehrstuhl in Berlin hat und das „Institut für Ludologie“ gegründet hat; Christian Wallisch, der langjährige Präsident des „Ali Baba Spieleclubs“ in Nürnberg, sie alle zogen an einem Strang. In Bayern ist der hochkomplizierte Antragsprozess zunächst gescheitert, auch in Thüringen klappte es erst beim zweiten Anlauf. Jetzt fuhren sie alle nach Altenburg, 36.000-Einwohner Städtchen ganz im Osten Thüringens und Weltstadt des Skats, um zu feiern und sich feiern zu lassen. 

Zielsetzung der UNESCO

Die UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, gegründet 1945) ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen (UN). Sie soll durch Förderung der internationalen Zusammenarbeit in Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation zur Erhaltung des Friedens und der Sicherheit beitragen.

„Immaterielles Kulturerbe“

„Menschen tanzen, feiern und singen. Sie pflegen Bräuche, Beziehungen und ihre Umwelt. Dabei erhalten und gestalten sie ihr kulturelles Erbe, indem sie ihr Wissen und Können an nächste Generationen weitergeben. Das UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes von 2003 fördert die Sichtbarkeit und Weiterentwicklung dieses lebendigen Erbes. Dies erfolgt beispielsweise durch die internationalen UNESCO-Listen oder über Einträge in das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes in Deutschland. Deutschland ist 2013 beigetreten.

Gemeinsam mit den Thüringer Spielefreunden für das „Kulturgut Spiel“

In einer kraftvollen Allianz mit den Thüringer Spielefreunden, Gabriele Orymek mit Tochter Sarah-Ann und Michael Schöne von den Altenburger Spieletagen, wurde der Antrag eingebracht. „Schwung bekam der neue Antrag in Thüringen durch die zusätzliche Unterstützung von Dagmar de Cassan und Maria und Walter Schranz, die mit dem Transfer des Österreichischen Spielemuseums mit über 31.000 Brettspielen aus Wien ins thüringische Altenburg die überregionale Bedeutung des Themas darlegten.“ So steht es in der Presseerklärung von Jens Junge, bestens vernetzter Spiele-Aktivist, der für alle Zeiten klarmachte, warum „Kulturgut Spiel“ die Unterstützung der Weltorganisation verdient hat: „Innerhalb von analogen Brettspielen lernen Menschen indirekt, sich auf die Suche nach neuen, besseren Wegen zu begeben, sich variabel und flexibel zu verhalten, ob im Wettbewerb oder in kooperativen Spielen. Keine Informationen oder Ideologien als absolute Wahrheit zu definieren, sondern auch Spielregeln in Frage stellen zu können, um innerhalb einer Gemeinschaft immer wieder nach passenden Regeln für ein faires Miteinander zu sorgen, das liefert das Kulturgut Spiel.“

Geschafft! Jetzt geht es um die Bundesliste

Die „Deutsche Brettspielkultur“ hat es also geschafft. Dabei wurden neun Kulturformen aufgenommen, darunter die Dahlientradition im Mittleren Elstertal, das Büchsenmacher- und Graveurhandwerk in Südthüringen und eben die Deutsche Brettspielkultur. Im Beisein von Staatssekretärin Tina Beer wurden die Antragsteller persönlich geehrt: „Durch immaterielles Kulturerbe spüren Menschen immer wieder, was Heimat bedeutet. Es muss gepflegt werden, und genau das tun sie. Deshalb wurden Sie als Personen ausgezeichnet – als Dankeschön für Ihre Arbeit, die hinter dem immateriellen Kulturerbe steckt. Mit Ihrem Engagement stiften Sie auch Identität und stärken den sozialen Zusammenhalt in Ihrer Region. Es ist beeindruckend, mit wie viel Hingabe sich die Menschen in Thüringen ihren Traditionen widmen. Ihr Einsatz ist unverzichtbar für die Bewahrung unseres reichen kulturellen Erbes. Dafür habe ich jedem Einzelnen von Ihnen meinen großen Dank ausgesprochen.“

Die UNESCO-Kommission in Thüringen hat diese traditionelle Kulturform nun auf die Landesliste des Immateriellen Kulturerbes gesetzt und sie zur Aufnahme für die Bundesliste vorgeschlagen.

 

Nominierungen für das Bundesweite Verzeichnis Immaterielles Kulturerbe

Zur Deutschen Brettspielkultur 

Zum Film des MDR-Fernsehen

Über den Autor:

Peter Budig hat Evangelische Theologie, Geschichte und Politische Wissenschaften studiert. Er war als Journalist selbstständig, hat über zehn Jahre die Redaktion eines großen Anzeigenblattes in Nürnberg geleitet und war Redakteur der wunderbaren Nürnberger Abendzeitung. Seit 2014 ist er wieder selbstständig als Journalist, Buchautor und Texter. Storytelling ist in allen Belangen seine liebste Form.

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