Das Bauhaus – Vorbild für Spielzeugdesign?
Von Ulrich Texter
Ist das Bauhaus auch 100 Jahre nach seiner Gründung die Benchmark für Design? Nicht wenige sehen im Bauhaus den Vorläufer aktueller Designentwicklungen, heißen sie nun Design Thinking oder Social Design. Und gerade im Jubiläumsjahr erleben die Ikonen der Vergangenheit regelrecht ein Revival, wie die Möbelmessen zeigen. Aber welchen Einfluss besitzt die „Kaderschmiede der Moderne“ auf heutige Spielzeugdesigner, die oft im Windschatten der großen Brüder segeln müssen?
Spielzeugdesign steht selten im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel. In den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts sorgte BIG mit herausragenden Designern und Künstlern wie Otmar Alt, Philipp Starck („The Face“) und Kitty Kahane für Schlagzeilen. Das Trio schuf rollende Kunst- und Designunikate. Darauf konnte sich auch eine Publikumspresse stürzen, die sonst eher „form follows function“ für einen Euklidischen Lehrsatz hält. An der eher stiefmütterlichen Behandlung des Themas in der Branche wie in den Medien änderte das wenig – bis heute, wie der Designer Alex Hochstrasser, Moluk GmbH, glaubt. Er ist u.a. Schöpfer der „übergroßen Salatschüssel“ Bilibo, einem multifunktionalen Spielobjekt, das vor ein paar Jahren im New Yorker MoMa zu sehen war.
Bauhaus-Manifest 4.0
Ist die Frage nach dem Einfluss des Bauhauses auf das heutige Spielzeugdesign damit obsolet? Für Hochstrasser nicht. „Das Bauhaus ist in meiner täglichen Arbeit zwar nicht unbedingt präsent“, sagt er, „aber es liefert das Fundament für gute Gestaltung und es ist als Referenzpunkt nach wie vor relevant. Das Bauhaus ist der Wegbereiter des modernen Designs, wie es in mit der Ulmer Hochschule für Gestaltung fortgesetzt wurde, die allerdings sehr rigide funktionalistisch war und fast alles Spielerische ausschloss.“ Mit seinen Entwürfen will der Zürcher die Idee des Jubilars, nämlich „sinnvolle, praktische und auch erschwingliche Produkte zu entwerfen“ mit seiner Vorstellung vom Spielerischem kombinieren.
Vor allem die Kunst, die in den Anfangsjahren des Bauhauses eine ungleich größere Rolle spielte als in der letzten Phase, als die Architektur den Lehrplan prägte, ist ihm eine wichtige Inspirationsquelle. „Das Bauhaus war zum Schluss nur noch die Ausrichtung auf Funktionalität“, zeigt sich Hochstrasser überzeugt, „aber heute muss Humor und Ironie ins Design einfließen, um eine Geschichte zu erzählen. Ein Produkt, das keine Seele hat, berührt keinen.“ Dennoch könnten die Ansprüche von Moluk durchaus als Manifest für ein Bauhaus 4.0 dienen: „Bei Moluk designen wir universelles, multifunktionales und sehr puristisches Spielzeug, das nicht altersfixiert ist, lange relevant bleibt und nicht nach Geschlechtern differenziert.“ Vor allem ist die Less is more-Idee, mit Ressourcen verantwortlich umzugehen und gleichzeitig ein Maximum an Nutzen zu schaffen, aktueller denn je.
Spielzeugdesign – nur Kinderkram?
Die Ansprüche klingen also ähnlich ambitioniert und vom Bauhaus beeinflusst wie die, die Designer an klassisches Produktdesign stellen. Und doch ist Spielzeugdesign bis heute nur die kleine, unauffällige Schwester der großen Brüder Interieur-, Möbel- oder Autodesign. Erst 2014 findet sich unter einem der weltweit begehrtesten Qualitätssiegel für Design, dem Red Dot, die Rubrik „Baby und Kind“. Das weltweit agierende Designlabel if bietet „Outdoor, Sports & Leisure“ als Kategorie. Immerhin erhielt schon 1969 hier das Holzspielzeug „Schnurri“ eine Auszeichnung. In den zurückliegenden 50 Jahren sind es 130 „Toys“ geworden. 2019 lobt man nun erstmals den Wonderland Design Prize für innovative Babyprodukte, einen Nachwuchswettbewerb aus. Das alles lässt vermuten, das Spielzeugdesign lange Jahre eher als „Kinderkram“ angesehen wurde denn als ernstzunehmende Kategorie. Wer als Designer in die Hall of Fame wollte, schuf lieber einen Stuhl als einen Beißring, während Spielzeughersteller vor allem an Ökonomie statt Ästhetik dachten.
Spielzeugdesign in der Zwickmühle
Spielzeugdesign steckt zudem oft in dem Dilemma, ein Produkt mit einem eingebauten Ablaufdatum zu entwerfen, das dennoch ein Klassiker werden soll. Ein Beispiel: 2018 gewann der Greifling „Sola“ des Spielzeugherstellers Naef in der Kategorie „Kids und Familie“ bei der Focus Open des Design Centers Baden-Württemberg die höchste Auszeichnung für „herausragende und zukunftsweisende Gestaltung“, die Gold Medaille. „Sola“ wird, das liegt in der Natur der Sache, von der Zielgruppe nur kurz bespielt, um bald als Artefakt der ausrangierten Dinge Patina anzusetzen. Der Lebenszyklus ist überschaubar. Anders ein „Wishbone Chair“, ein „Egg Chair“ oder der Stahlrohr-Freischwinger des Bauhäuslers Marcel Breuer. Sie begleiten die Besitzer ein Leben lang, sind Teil des Alltags, prestigeträchtige Symbole und Identitätsanker.
Entworfen hat den in Haptik, Form, Farbe und Akustik stimulierenden Greifling der Deutsche Heiko Hillig, Chefdesigner der Schweizer Spielzeug-Manufaktur. Er steht nicht nur hinsichtlich der Auffassung, was Design leisten muss, in der Tradition des Bauhauses. Er teilt auch seine frühen gesellschaftspolitischen Auffassungen. „Ich glaube“, sagt Hillig, „dass wir als Designer eine Verantwortung haben und die Welt zum Guten verändern müssen.“ Die Prämierung und die große internationale Nachfrage nach Naef-Spielzeugen sieht er als eine Bestätigung einer Haltung, die konsequent auf Qualität setzt und die weltweit geschätzt wird. So ist das „Bauspiel“, das die Schweizer zum Jubiläum des Bauhauses aufgelegt haben, längst ausverkauft. An einer neuen Serie „Basic“ arbeitet Hillig bereits. Der puristische Stil, das Streben nach Perfektion und der Wille zu reinen Form, für den das Bauhaus steht, lebt in Zofingen weiter. „Das Bauhaus“, sagt Heiko Hillig, „ist erst heute richtig angekommen.“
Über den Autor
Ulrich Texter machte nach seinem Studium der Psychologie und Philosophie an der FU Berlin das Schreiben zum Beruf. Er hegt eine Vorliebe für Literatur, Jazz und Design. Seit über 20 Jahren begleitet er die Spielwarenindustrie als Chefredakteur für das Fachmagazin planet toys. Sein Faible für Design spürt man, wenn er den Blick auf kleine Schmuckstücke der Spielwarenbranche richtet. Getreu dem Motto „Wir können auch anders“ schafft er als ehrenamtlicher „Kulturimpresario“ mit dem Ostenfelder Leseherbst und den Kinderliteraturpreis „Schlossgeschichten“ kleine Kulturoasen in Bad Iburg.