Von Peter Budig

Stammbesucher der SPIEL ESSEN mit einem Faible für die anspruchsvollen Kenner- und Expertenspiele können sich vielleicht noch erinnern: Vor zwölf Jahren erschien erstmals ein hochgewachsener, sehniger, ruhiger Typ mit dunklen Locken auf dieser Brettspielfanmesse: „Unser Stand war zweimal fünf Meter groß. Mehr konnten wir uns nicht leisten. Dass wir, wie in Essen üblich, unsere Spiele nicht nur präsentieren, sondern auch ans Publikum verkaufen durften, hat uns sehr geholfen“, erinnert sich Frank Heeren, der Gründer von Feuerland Spiele. 

Erfolgreicher Start in einen vollbesetzten Markt

Ausgangspunkt für den Einstieg ins Verlagswesen war 2011 das Spiel Terra Mystica von Helge Ostertag, Jens Drögemüller und dem Grafiker Dennis Lohausen. Der damals bereits erfolgreiche Spieleautor Uwe Rosenberg hatte es entdeckt und sich an Frank Heeren gewandt. Heute ist es ein Longseller mit über 100.000 verkauften Exemplaren.

Frank und Uwe verbindet eine lange Geschichte, gemeinsam haben sie im ostfriesischen Aurich ihr Abitur abgelegt, sich als Banknachbarn in der Schule gelangweilt und anschließend ganz unterschiedliche, erfolgreiche Karrieren bestritten. Heeren, der nach einem Universitätsabschluss in Geophysik über zehn Jahre erfolgreich als IT-Berater tätig war, „juckte“ die völlig neue Herausforderung. Sie entwickelten das Spiel zur Marktreife und wagten den Einstieg „in einen vollbesetzten Markt“ (so schreibt die FAZ in einem Artikel über Heeren im Dezember 2019). Dieses Wagnis kann man heute uneingeschränkt als gelungen bewerten. Der Feuerland Spiele-Stand auf der SPIEL ESSEN 2024 misst 200 qm² im oberen Bereich der Halle 3, „wir haben über 2.000 Spiele für den Verkauf eingepackt, fast 40 Leute unterstützen uns in dieser Zeit“, erzählt Heeren. 

Freundschaft mit Uwe Rosenberg

Wer sich umsieht, in der Branche der erfolgreichen Brettspiel-Erfinder, trifft oft auf mathematische Sonderbegabungen. Und bei Frank Heeren, der nicht im eigentlichen Sinne Brettspiele erfindet, sondern als Verleger Prototypen zur Serienreife weiterentwickelt, verbessert, optimiert, kommt noch das Unternehmer-Gen hinzu: „Ich hab‘ das wohl von meiner Mutter, die aus der Hotel- und Gastrobranche stammt. Sie war sehr durchsetzungsfähig und immer bereit, für ihren Erfolg noch ein Stück mehr für ihre Kunden zu machen“, erzählt er. Anfangs profitierte er durch die Erfahrungen des genialen Spieleautor-Autodidakten Uwe Rosenberg, der 2008 mit Agricola, erschienen bei Lookout Games, den Deutschen Spielepreises erhielt. Gemeinsam gründeten sie die Feuerland Verlagsgesellschaft mbH, inzwischen ist Rosenberg nur noch stiller Teilhaber. 

Gloomhaven als Großprojekt für Verlag und Spieler 

Nach dem Anfangserfolg ging es weiter, Spiel um Spiel, Schlag auf Schlag: Gloomhaven, Arler Erde, Gaia Project, Arche Nova, Scythe, Viticulture sind nur einige der wohlklingenden Namen für Kennerspiel-Fans. Früh hat Heeren den amerikanischen Markt ins Auge gefasst, um von dort Lizenzen zu erwerben und umgekehrt, eigene Spiele dort zu platzieren. Großes Aufsehen erregt hat Gloomhaven, erdacht vom amerikanischen Spieleautor Isaac Childres. Es ist ein wahrhaftig opulentes Spiel – kostet ca. 180 Euro – mit neun Kilogramm an Spielmaterial, insgesamt beinhaltet es etwa 1.700 Spielkarten und hat einen stabilen Fankreis erobert. Im Bereich der anspruchsvollen, aufwändig gestalteten Spiele hat Frank Heeren sich als Verleger also einen exzellenten Ruf erarbeitet. Er ist etabliert. Wie das möglich sei, im grundsätzlich begrenzten Markt der Freunde von komplexen Spielen, die anfangs ein gewisses Einarbeitungs- und Beharrungsvermögen verlangen und kaum unter 60 Euro zu haben sind? „Unsere Zielgruppe ist von Leuten geprägt, die sich allgemein etwas Schönes leisten können und wollen. Der Preis, 60 bis 80 Euro, heißt ja auch, dass man sich hier einen wertigen, schönen Luxus gönnt. Das passt dann auch zum anspruchsvollen Regelwerk“, erklärt Heeren das Geheimnis seines Verlagsprogramms. „Beharrlichkeit und die Bereitschaft, ein Ticken mehr an Konzentration, Arbeit, Hingabe einzubringen“ nennt Heeren sein Erfolgsgeheimnis.

Ein Hauch von Zocker

Vergessen wir nicht, dass hinter all den Sekundärtugenden, hinter Fleiß und Unternehmergeist auch ein begeisterter Spieler steckt. „Mein Liebling – neben Arche Nova – bleibt ‚Die Glasstraße‘ (Feuerland). Kein Verkaufsschlager, aber ein für mich dauerhaft reizvolles Spiel von meinem Freund Uwe Rosenberg. Es enthält einen Mechanismus der Unwägbarkeit, es bleibt für Überraschungen gut.“ 

Für Überraschungen sorgt Feuerland auch auf der SPIEL ESSEN: Dort wird Besuchern der „Goldene Wurf“ angeboten, bei dem man entweder ein kleines Spiel oder mit etwas Glück eines der ganz opulenten Feuerland Spiele für über 100 Euro bekommt. Ein beliebter Scoop, denn in jedem leidenschaftlichen Brettspieler wohnt ein kleiner Zocker.

SPIEL Essen vom 3. bis 6. Oktober 2024

Den Familienzuwachs und weitere Spielefamilien stellen die Verlage auf der SPIEL vor. In den Hallen der Messe Essen treffen Profis und Fans die gesamte Spieleszene. Der Merz Verlag der die SPIEL veranstaltet, gehört zur Messefamilie der Spielwarenmesse eG. 

Auf nach Essen! Alle Informationen zur SPIEL 2024 

Über den Autor:

Peter Budig hat Evangelische Theologie, Geschichte und Politische Wissenschaften studiert. Er war als Journalist selbstständig, hat über zehn Jahre die Redaktion eines großen Anzeigenblattes in Nürnberg geleitet und war Redakteur der wunderbaren Nürnberger Abendzeitung. Seit 2014 ist er wieder selbstständig als Journalist, Buchautor und Texter. Storytelling ist in allen Belangen seine liebste Form.