Konstruktive Ideen für die Zukunft

Vielfältige Möglichkeiten durch klassische Konstruktionsspielzeuge

Von Peter Thomas

Eine riesige Vielfalt von Modellen lässt sich mit klassischen Konstruktionsspielzeugen bauen, weil die normierten Teile immer wieder neu kombiniert werden können. Wie man diese Stärke klug mit aktuellen Trends kombiniert, zeigen die Konstruktionsspielzeug-Klassiker Eitech und Fischertechnik.

Moderne Lösungen für klassische Systeme

Fehlen noch sieben Flachstäbe für das Kranmodell? Braucht es ein weiteres Ritzel mit 26 Zähnen für das Getriebe? Wer Modelle mit dem Metallbaukasten-System Eitech baut, kann sich seit dem Herbst 2024 in solchen Fällen direkt an den Hersteller wenden. Denn die Traditionsmarke aus Pfaffschwende in Thüringen hat ein Konzept ins 21. Jahrhundert übertragen, das einst für Konstruktionsspielzeuge typisch war: Den Verkauf von Einzelkomponenten. 

Legendär sind in den Erzählungen innerhalb des Hobbys bis heute die Schubladenschränke von Meccano. Sie waren seit dem frühen 20. Jahrhundert vor allem in Spielwarenläden in der angelsächsischen Welt zu finden, aber auch bei Optikern und anderen Einzelhändlern. Hier gab es Nachschub an gelochten Metallstreifen, Zahnrädern aus Messing, aber auch Sonderteilen. Das erweiterte die Möglichkeiten der jungen Hobby-Ingenieure und diente zugleich der gelebten Kundenbindung. In Deutschland folgte beispielsweise Märklin zur Blütezeit des Metallbaukastens einem ähnlichen Prinzip. Heute läuft die entsprechende Versorgung bei vielen Herstellern über Webshops von Einzelhändlern oder digitale Plattformen.

Neue Produkte und Technikoffenheit

Die Eitech-Einzelkomponenten werden dagegen direkt über den Webshop des Unternehmens vertrieben, sagt Entwicklungsleiter Denny Felsberg. „Unser Ziel ist klar: Jedes Teil, das wir haben, können Sie bei uns bekommen“. Völlig neu ist die Idee nicht. Denn schon bisher bietet Eitech kleinere Teilesets zur Ergänzung an. „Aber bisher gab es eben einen Beutel mit zehn Flachstäben. Jetzt können Sie auch drei oder sieben einzelne Teile kaufen.“ Die ersten Erfahrungen mit dem Service sei gut, sagt Felsberg. „Es gibt eine große Nachfrage bei den Modellbauern.“

Neue Akzente setzt Eitech auch im klassischen Programm der Baukästen. Zum Jahresende kommt das App-gesteuerte Auto auf den Markt, das auf der Spielwarenmesse 2024 als Prototyp zu erleben war. Die Anwendung mit einer kostenlos verfügbaren Smartphone-App (Android und iOS) sowie einer frei programmierbaren Platine sorgt für Technikoffenheit. Bewusst will Eitech damit eine Plattform anbieten, die über die klassische Zielgruppe der Modellbauer hinaus auch Programmierbegeisterte anspricht.

Innovation für jede Zielgruppe

Ebenfalls ausgebaut wird das Angebot an farbig pulverbeschichteten Teilen. Zu den bereits erhältlichen kompakten Modellen mit gelben und roten Elementen kommen nun auch kleine Autobaukästen mit grünen und blauen Teilen. Die metallischen Oberflächen (früher vernickelt, heute verzinkt) dominieren aber weiterhin. An Mechanik-Fans richtet sich das neue Stirnraddifferenzial aus 130 Teilen. Es wird als Zubehör für Fahrzeugmodelle aller Art angeboten, vom Geländewagen bis zur Planierraupe. 

Technik Einsteiger bis Maker

Innovativ zeigt sich Fischertechnik mit seinem System aus Kunststoffkomponenten mit Klemmtechnik: Die neuen „Universal“-Baukästen für Einsteiger sind zwar voll kompatibel zum bestehenden Programm, heben sich aber durch ihre Farben und Formen ab. Zu den weißen und orangefarbenen Komponenten gehören neue Designteile mit glatten Flächen und Wölbungen. Sie machen Konstruktionen möglich, die sich von der ursprünglichen Idee der Skelettkonstruktion mit Stäben und Verbindungselementen abheben. Beraten wurde Fischertechnik bei der Entwicklung von Fachleuten aus zwei wichtigen Disziplinen: Sowohl Ingenieure als auch Pädagogen waren in den Prozess eingebunden, heißt es beim Hersteller. Auf den Markt gekommen sind in der neuen Serie zunächst die Kästen „Universal Pro“ und „Universal Max“.

An erwachsene Tüftler richten sich die neuen „Maker Kits“ von Fischertechnik. Hier geht es darum, die Möglichkeiten des Konstruktionsspielzeugs für den Bau von oft sehr komplexen und vor allem digital gesteuerten Modellen zu nutzen. Das Konzept ist verwandt zu den erfolgreichen Robotik-Baukästen des Herstellers, die unter anderem im naturwissenschaftlichen Schulunterricht eingesetzt werden. Doch technikbegeisterte Kidults werden in erster Linie durch die Funktion zum Beispiel der Omniwheels angesprochen und sollen auf der Basis eigene Konstruktionen entwickeln. Faszinierende Vorbilder dafür gibt es zahlreiche: Omniwheels haben erstaunliche Eigenschaften, mit ihnen können Fahrzeuge auf der Stelle drehen und in alle Richtungen fahren – auch quer zur Längsachse. Die moderne Logistik nutzt diese Flexibilität längst in realen Anlagen. Auf ein anderes Top-Thema des Maschinenbaus setzt das „Maker Kit Bionic“, bei dem es um die Entwicklung von Laufrobotern geht.

Was treibt die Macher von Baukästen für „Maker“ um? „Fähigkeiten für das 21. Jahrhundert zu vermitteln“ ist bei Fischertechnik ein zentraler Wert. Dafür sprechen auch die Sets rund um Coding und Robotik für Kinder und Jugendliche, wie beispielsweise STEM Coding Pro und STEM Coding Max. Gerade erst ist Fischertechnik für das Set Smart Robots Pro mit einem Preis der „Play for Change Awards“ ausgezeichnet worden. Der Award zeichnet Leistungen aus, um Kinder und Jugendliche durch praxisnahes Lernen im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) auf berufliche Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten.

Tradition trifft auf moderne Herausforderungen

Aber: „Es geht nicht um Digitalisierung um jeden Preis“, stellt man bei dem Hersteller aus dem Schwarzwald klar. Grundlegende Fähigkeiten des Systems wie Statik und Mechanik werden im aktuellen Programm der Baukästen genauso vermittelt wie in den Anfangszeiten. Der Spaß am Bauen, Ausprobieren und spielerischen Lernen steckt schließlich in der DNA des Konstruktionsspielzeugs. 

Eine Ausnahme vom Prinzip des Bauens gibt es dann doch – nämlich die Industriemodelle. Sie dienen in Entwicklung und Forschung der Simulation von realen Anlagen oder ganzen Fabriken – inklusive Steuerung. Die Themen sind hochaktuell: Sie reichen von der Qualitätssicherung mit künstlicher Intelligenz bis zu agilen Produktionsmethoden. Solche Themen treiben die Industrie heut um. Und wer solche Anlagen in der Realität plant, baut und in Betrieb nimmt, hat als Kind und Teenager mit hoher Wahrscheinlichkeit einmal mit Konstruktionssystemen gespielt.

Über den Autor:

Geschichten über Technik und Menschen erzählen: Das fasziniert den Journalisten, Autor, Kulturwissenschaftler und Dozenten seit mehr als 30 Jahren. Technisches Spielzeug steht dabei immer wieder im Fokus, vom Baukasten bis zu interaktiven digitalen Lernspielzeugen. Nach Studium und Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität schreibt Peter Thomas für Tageszeitungen, Magazine und Unternehmenspublikationen im deutschen und englischen Sprachraum. Seine Schwerpunkte neben der Welt des Spiels sind Mobilitäts-, Sicherheits-, Energie- und Medizintechnik.

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