Perfekter Pinselstrich: Tradition trifft Qualität
Da Vinci Künstlerpinselfabrik Defet setzt auf Handwerk und Nachhaltigkeit
Von Anja Kummerow
Wenn Kreative oder Kidults heute mit hochwertigen Pinseln aus Synthetikhaar kunstvoll ihre Farbe auf Papier oder auf ihre Miniaturen bringen, dann ahnen wohl die wenigsten, dass hochauflösendes Fernsehen viel dazu beigetragen hat. Bei der Da Vinci Künstlerpinselfabrik Defet GmbH aus Nürnberg hat es zu neuen Kreationen im Kosmetiksektor geführt, die auch Einzug in die Kunst hielten.
Sie klingen nach purer Poesie: Kasaner Fehhaar, russisches Iltishaar, Kolinsky oder sibirisches Rotmarderhaar – die Rohstoffe, aus denen Naturhaarpinsel hergestellt werden. Jedes Haar bringt besondere Eigenschaften mit, die sich für verschiedene Malstile und Farbtechniken empfehlen. Doch auch wenn Synthetikhaar eher Prosa ist – dessen Qualität ist mittlerweile so gut, dass der Endverbraucher durch bloßes Befühlen beides kaum mehr voneinander unterscheiden kann. Naturhaar oder Kunstfaser: Schon längst ist es keine Frage des Geldes mehr, wofür man sich entscheidet, sondern eher eine der Vorlieben. Beides kann richtig teuer sein.
Pinsel – von Hand ausgeformt
Das fränkische Traditionsunternehmen gehört mit seiner Marke Da Vinci zu den bekanntesten Unternehmen seiner Art weltweit. Und zu den letzten. Denn viele Firmen, die Pinsel noch traditionell in Handarbeit fertigen, gibt es nicht mehr. Zehn bis zwölf Arbeitsschritte sind nötig, bis das Malgerät fertig ist. Das Schwierigste ist die Pinselform, die „nicht hin geschnitten, sondern gleich richtig gebunden und von Hand ausgeformt wird", beschreibt Hermann Meyer, Geschäftsführer der Da Vinci Künstlerpinselfabrik, die Besonderheit der Arbeit. Dafür ist Können nötig. Und Zeit. Etwa 100 Mitarbeiter sind in der Produktion tätig, 30 in der Verwaltung, im Vertrieb und Verkauf. Drei Jahre dauert die Ausbildung zu Pinsel- und Bürstenmacher- Gesellin oder Geselle. Es dauert, bis man alle Materialien – im wahrsten Wortsinn – begreift.
Vier bis acht Auszubildende pro Jahr
Die Ausbildung für dieses Handwerk wird in ganz Deutschland nur noch in der Berufsschule in Dinkelsbühl angeboten, rund 70 Kilometer von Nürnberg entfernt. Sie umfasst den Umgang und die Eigenheiten der unterschiedlichen Rohstoffe sowie das Pinsel- und Bürstenbinden. „Es ist eine der kleinsten Ausbildungsklassen überhaupt“, sagt Rottner Defet. Nur vier bis acht Auszubildende gibt es pro Jahrgang. Um Nachwuchs für den Beruf des Pinselmachers zu gewinnen, ist er mit Schulen im Umkreis in Kontakt und bietet Praktika an. Im Jahr 2024 konnte das Unternehmen zwei Auszubildende übernehmen. Oft kommt der Nachwuchs aus dem Kreis der Belegschaft. „Bei uns arbeiten mitunter drei Generationen einer Familie hier“, sagt Meyer mit Stolz.
Auch wenn die Produktion noch viel Handarbeit ist – „die Ausbildung ist technischer geworden“, sagt Mitgeschäftsführer Julian Rottner Defet. So traditionell das Handwerk scheint: Als Ausbildungsberuf gibt es ihn tatsächlich erst seit 1984 – seit 40 Jahren also. Gerade einmal vier Unternehmen in Mittelfranken bilden heute noch Pinsel- und Bürstenmacher aus. Dabei hatten sich hier einst mehr als 80 Hersteller niedergelassen. Mit dem damals in Fürth ansässigen Pelzmarkt fanden die Unternehmen hier beste Ausgangsbedingungen vor.
Die Herausforderung der Rohstoffbeschaffung
Die passenden Rohstoffe aufzutreiben, gehört heute zu den Herausforderungen für Meyer und Rottner Defet. Naturhaar ist teuer geworden. Und auch qualitativ hochwertige Synthetikfasern sind schwer zu finden – „zumindest solche, die unseren Ansprüchen genügen“. Zum einen soll Kunsthaar in der Lage sein, Naturhaar zu imitieren, sagt Rottner Defet. Doch eine ebenso große Rolle spielt für das Unternehmen auch die Art der Herstellung. „Bei der Faserherstellung wird mit Säuren gearbeitet. Deshalb spielen Arbeitsschutz und Umweltaspekte wie der Wasserkreislauf für uns eine große Rolle. Darauf achten wir bei unseren Zulieferern.“
Der Trend geht zu gewellten Fasern
Die Bandbreite und das Können von Synthetikfasern bringen beide ins Schwärmen: die Feinheit, die Gleichmäßigkeit, die Möglichkeiten in der Verarbeitung. „Und dass sie nicht haaren“, sagt Rottner Defet, der im Unternehmen für Produktentwicklung und Qualitätssicherung verantwortlich ist. Die Kombination aus verschiedenen Kunstfasern erweist sich als ideal, um für das Fernsehen zu schminken: Der Pinselkorpus speichert genügend Make-up, die feinsten Synthetikfasern vorne verteilen es gleichmäßig auf dem Gesicht. Längst hat die Idee und damit der Hybrid auch Einzug in die Kunst gehalten. Zu den aktuellen Trends gehören hier gewellte Fasern, die mehr Flüssigkeit aufnehmen können.
Katzenzungenfacon, Schwertschlepper, Anschießer
Auf der Suche nach hochwertigen Fasern ist das Unternehmen in Korea und Japan fündig geworden. Hier sei man in der Lage, gleichmäßige Fasern zu produzieren, mit den sich „feine, ausgeformte Spitzen herstellen lassen, die sich nach vorne verjüngen“. Nichts, was es nicht gibt: extrem feine Pinsel von der Größe 20/0 aus Synthetik, bestehend aus zehn bis elf Haaren, bis hin zur Größe 50 aus Kolinsky Rotmarder. Es gibt runde, flache, breite Pinsel, Katzenzungenfacon, Schwertschlepper, Anschießer. Ihre Einsatzgebiete reichen von zarter Aquarellmalerei über rustikale Ölbilder bis hin zum Vergolden.
Auch Prinz Charles greift zu Da-Vinci-Produkten
Es gibt einige Künstler, die mittlerweile auf Kunstfaser schwören und andere, für die es nur Naturhaar gibt. Da Vinci hat günstigere Einsteigermodelle im Repertoire, aber auch absolute High-End-Profiwerkzeuge, die über 3000 Euro kosten. Pro Stück. „Gerade haben wir davon auf Wunsch wieder drei Stück gefertigt“, erzählt Hermann Meyer. Für andere Künstler werden Pinsel mit extralangen Stielen gefertigt. Die Fans der Pinsel aus Nürnberg finden sich überall auf der Welt – vom Hobbymaler bis zum Malerfürst, auch König Charles ist in einem Aquarellbuch mit einem Produkt aus dem Hause Defet zu sehen. Das Unternehmen kann alles – nur nicht billig. „In Märkten, wo viel über den Preis geht, tun wir uns schwer.“
Sechs Millionen Pinsel stellt das Unternehmen jährlich her. Rund drei Viertel des Umsatzes werden mit Pinseln für den Künstlerbedarf gemacht. Die Produkte des Unternehmens sind in über 80 Ländern der Welt erhältlich. Der Exportanteil liegt bei 65 bis 70 Prozent. Die Geschäfte kurbeln auch Influencer und Markenbotschafter an, die teilweise Hunderttausende Follower haben.
Auf dem Weg zur nachhaltigsten Pinselfabrik der Welt
Die Zeichen stehen jedenfalls auf Wachstum. Am Firmensitz wird derzeit die Fertigung um einen Neubau erweitert – samt Photovoltaikanlage für die Eigenstromversorgung. „Wir wollen die nachhaltigste Pinselfabrik der Welt werden“, erklärt Julian Rottner Defet das Ziel. Die größten Wachstumschancen sehen er und Meyer aktuell in Schulprodukten – vor allem in den deutschsprachigen Märkten wie auch in Italien und den Benelux-Ländern. Im Kunstunterricht ist es nicht verborgen geblieben, dass sich mit billigen Farben, günstigem Papier und ebensolchen Pinseln auch nur mäßige Ergebnisse erzielen lassen. Und dass damit bei Kindern und Jugendlichen der Spaß auf der Strecke bleibt.
Für weiteres Wachstum sorgen aber auch Produkte für den Modellbau und das Miniaturmalen. „Table Top ist zurzeit richtig in“, so Rottner Defet. Ständig werde an neuen Produkten und neuen Fasermischungen gearbeitet, um für alle neuen Trends und Techniken gewappnet zu sein.
Über die Autorin
Anja Kummerow hat als Wirtschaftsredakteurin der Nürnberger Zeitung mehr als 20 Jahre lang über Nürnbergs spannende Unternehmen sowie viele interessanten Messen wie die Spielwarenmesse berichtet. Seit 2020 ist sie selbstständig als Journalistin, Redenschreiberin und Buchautorin.
Da Vinci Künstlerpinselfabrik DEFET GmbH
Ausbildung zum Pinsel und Bürstenmacher im Staatlichen Beruflichen Schulzentrums Rothenburg-Dinkelsbühl: Hier mehr Informationen.