Spielzeugkauf: Pyramide für ausgewogenes Spielen

Wie Spielwarenhändler Eltern unterstützen können, die Bildschirmzeit zu reduzieren

Von Dr. Amanda Gummer

Die Einschränkungen aufgrund der Corona-Krise hatten für alle Kinder weltweit massive Auswirkungen. Vielerorts waren die Freizeiteinrichtungen nicht geöffnet, die Kinder konnten nicht mit ihren Freunden spielen und auch die Spielplätze waren geschlossen. Die Kinder saßen also zu Hause rum und hatten nichts oder nur wenig zu tun.

Weltweit ist der Spielzeugmarkt in der ersten Hälfte 2020 um 10% gewachsen – Eltern kauften Spielzeug mit einer längeren Lebensdauer und hohem Spielwert, um ihre Sprösslinge zu beschäftigen (Tutt, 2020). Während in manchen Familien die Eltern aufgrund von Kurzarbeit mehr Zeit für ihre Kinder hatten, waren andere auf der verzweifelten Suche nach Beschäftigungsmöglichkeiten für ihren Nachwuchs, um sich auf die eigene Arbeit im Home-Office konzentrieren zu können. Deswegen war in vielen Ländern eine spürbare Zunahme der Zeit zu beobachten, die Kinder vor dem Bildschirm verbrachten.

Screen Time in der Pandemie

Eine internationale Studie, an der über 8.000 Kinder teilnahmen, hat gezeigt, dass in acht von zehn Ländern zwei Drittel der befragten Kinder mehr als die empfohlenen zwei Stunden pro Tag vor einem Bildschirm verbracht haben (Viktoria u.a., 2021). Wahrscheinlich handelte es sich dabei um eine Kombination aus Lernen am Computer einerseits und dem Konsum von Videos, Aktivitäten in den sozialen Medien und dem Spielen von Computerspielen andererseits.

Das Sitzen vor einem Bildschirm führt zwangsläufig zu einem Mangel an körperlicher Bewegung. Deswegen überrascht es nicht, dass parallel zum Anstieg der Screen Time die physischen Aktivitäten zurückgegangen sind. In Europa bewegten sich die Kinder bereits vor der Pandemie viel zu wenig – acht von zehn Kindern lagen unter dem von der WHO empfohlenen Richtwert, der täglich mindestens 60 Minuten moderate bis fordernde körperliche Aktivität vorsieht (Viktoria u.a., 2021). Auch in China und Kanada ging die Pandemie mit einem signifikanten Rückgang der körperlichen Betätigung einher.

Das Problem ist gar nicht die Bildschirmzeit selbst, sondern dass die Kinder sehr viel anderes verpassen, wenn sie einen zu großen Anteil ihrer Freizeit vor einem Monitor sitzen.

Wie können Eltern dabei unterstützt werden, Screen Time zu reduzieren?

Es ist nur allzu verständlich, dass Eltern, die während der Pandemie im Home-Office waren oder auch nur die Hausarbeit erledigen mussten, alles Mögliche versucht haben, um ihre Kinder beschäftigt zu halten und dafür auch ein Mehr an Bildschirmzeit in Kauf nahmen. Für Kinder waren Online-Computerspiele mit Freunden und der Austausch über die sozialen Medien darüber hinaus oftmals die einzige Chance, in einer von Unsicherheit geprägten Zeit Kontakt zu ihren Altersgenossen zu halten – eine Tatsache, die auch viele Eltern akzeptieren mussten, denen das Wohlergehen ihrer Kinder wichtig war.

Nachdem die Pandemie etwas abgeklungen ist, suchen Eltern jetzt wieder vermehrt nach Wegen, um ihre Kinder von den Bildschirmen loszueisen und dafür zu sorgen, dass sie sich wieder mehr bewegen. Spielen ist hier ein wichtiger Faktor, denn der Spieltrieb ist Kindern in die Wiege gelegt. Wenn Kinder spielen, sitzen sie nicht vor einem Monitor und können ihre Freude an der Bewegung wiederentdecken. Dem Spielzeughandel kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. 

Es wimmelt nur so von Empfehlungen dazu, wie viel Zeit ein Kind vor dem Bildschirm verbringen darf oder soll. Ich war aber schon immer der Auffassung, dass man Eltern eher dazu raten sollte, eine individuelle Entscheidung zu treffen, die zu ihrer jeweiligen familiären Situation passt. Besser als starre Regeln eignen sich die Empfehlungen aus der Pyramide für ausgewogenes Spielen (Balanced Play Pyramid), mit denen sich die Freizeit von Kindern strukturieren lässt.

Was besagt die Pyramide für ausgewogenes Spielen?

Die Pyramide für ausgewogenes Spielen ähnelt der Lebensmittelpyramide. Aktives, freies Spielen mit anderen an der frischen Luft nimmt hier die Rolle des Superfood ein, von dem man eigentlich nie genug haben kann. Am anderen Ende steht passives Sitzen vor dem Bildschirm alleine, also sozusagen die zuckerhaltigen Lebensmittel, wenn man in der Sprache der Ernährungsberater bleiben will. Hier muss die Zufuhr begrenzt werden, z.B. wenn Videos automatisch durch die Autoplay-Funktion abgespielt werden.

Wenn Kinder sich mit Lebensmitteln vollstopfen, die einen hohen Zucker- und Fettgehalt haben, dann hat das nur einen begrenzten Nährwert, auch wenn es schmeckt. Es bleibt dann kein Platz mehr für die Nahrungsmittel, die sie für eine gesunde körperliche Entwicklung benötigen. Genauso ist es mit der Freizeitgestaltung – wenn ein Kind zu lange passiv vor dem Bildschirm sitzt, bleibt keine Zeit mehr für aktives und fantasievolles Spiel mit Freunden.

Wenn man aktives soziales Spielen an der frischen Luft fördert, dann verbringen Kinder ihre Zeit eben nicht passiv und sitzend alleine vor einem Monitor. Stattdessen bekommen sie die Chance zu spielen, was die Grundzutat für eine glückliche und gesunde Kindheit ist. Es geht bei der Philosophie des ausgewogenen Spielens nicht darum, bestimmte spielerische Aktivitäten in Bausch und Bogen zu verbieten, sondern darum, es den Kindern zu ermöglichen, die ganze Bandbreite der Spielmöglichkeiten zu nutzen.

So können Sie Ihre Kunden mithilfe der Spielpyramide bei der Auswahl von Spielzeug unterstützen

Die Pyramide für ausgewogenes Spielen basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen zur kindlichen Entwicklung. Wenn Sie als Händler Eltern deren Funktionsweise erklären, können Sie sie bei der Auswahl von Spielzeug unterstützen, das ihren Kindern den größten Nutzen bringt. Dazu bieten sich folgende Schritte an:

  • Drucken Sie das Schaubild mit der Balanced Play Pyramid aus und hängen Sie es in Ihrem Laden auf oder stellen Sie es auf Ihre Homepage. Sie können auch den nachfolgenden Link zu unserer englischsprachigen Website, der noch mehr Informationen für Verbraucher enthält, auf Ihre Homepage einstellen: Good Toy Guide
     
  • Erklären Sie den Eltern die Pyramide und stellen Sie fest, woran es den Kindern fehlt, damit Sie auf dieser Grundlage Spielsachen empfehlen können.
     
  • Geben Sie bei den in Ihrem Laden ausgestellten Spielzeugen an, für welchen Teil der Spielpyramide diese stehen, damit Eltern einfach feststellen können, was sie brauchen.

Gut für Kinder: Ausgewogene Spielzeit fördern

In der Pandemie saßen die Kinder in vielen Ländern mehr vor dem Bildschirm und haben sich gleichzeitig weniger bewegt. Deswegen darf man Eltern aber keine Schuldgefühle einreden, sondern sollte ihnen stattdessen Möglichkeiten aufzeigen, wie sie in Zukunft gesundes Spielen fördern können. Wenn Sie in Ihrer Eigenschaft als Fachhändler die Pyramide für ausgewogenes Spielen gemeinsam mit den Eltern durchgehen und ihnen auf dieser Grundlage eine überschaubare Anzahl an ausgesuchten Spielzeugen vorschlagen, helfen Sie ihnen dabei, ausgewogenes Spielen zu fördern. Dadurch können Eltern wieder besser steuern, wie viel Zeit ihre Kinder vor dem Bildschirm verbringen. 

Quellen

  • Tutt, F. (15.10.2020). Der globale Spielwarenmarkt & COVID-19. www.spielwarenmesse.de. https://www.spielwarenmesse.de/en/mag/markets/the-global-toy-market-covid-19
  • Viktoria A. Kovacs, Gregor Starc, Mirko Brandes, Monika Kaj, Rok Blagus, Bojan Leskošek, Thomas Suesse, Elek Dinya, Benjamin C. Guinhouya, Viviana Zito, Paulo M. Rocha, Benito Perez Gonzalez, Anna Kontsevaya, Michal Brzezinski, Radu Bidiugan, Anita Kiraly, Tamás Csányi & Anthony D. Okely (2021). Physical activity, screen time and the COVID-19 school closures in Europe – An observational study in 10 countries, European Journal of Sport Science, DOI: 10.1080/17461391.2021.1897166

Über die Autorin

Amanda Gummer hat einen Doktortitel in Neuropsychologie, einen Master-Abschluss im Bereich höherer Bildung und verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Kinder- und Familienarbeit. Ihr im Mai 2015 erschienenes Buch „Play“ wurde bereits in mehrere Sprachen übersetzt. In Großbritannien ist Amanda Gummer als Expertin zu den Themen Spielen, Erziehung und kindliche Entwicklung häufiger Gast in den Medien. Sie ist nach wie vor sehr stark in der Forschung tätig und berät staatliche Stellen und Behörden häufig zu Kinderfragen.

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