Barrierefreies Spiel
Inklusions-Projekt: Gemeinsam Spiele entwickeln
Von Thomas Tijang
Die SPIEL 2024 in Essen war für einen Kleinstaussteller aus den beschaulichen Dettingen an der Erms eine Feuerprobe. Der Verein FritZel’s Spielerei präsentierte sein Spiel Jahu Safari. Das Besondere daran: Gut ein Jahr lang holte der Verein fünf mehrfachbehinderte Menschen in einem Workshop an den Tisch, um ein eigenes Brettspiel zu entwickeln. Für Vereinschefin und Initiatorin Nicole Zeller waren die Resonanz auf Jahu Safari und die Premiere als Aussteller auf der SPIEL ein voller Erfolg: „Wir waren mit der Resonanz sehr zufrieden.“ Das Familienspiel hat eine schlüssige Idee: Bis zu acht Spieler schlüpfen in die Rolle eines Bauernhoftieres. Sie machen sich auf die Reise nach Afrika, um bislang Unbekanntes – wie Pferde mit Streifen – zu entdecken. Auf dem Weg auf dem unbekannten Kontinent müssen Aufgaben erledigt werden, um auf Madagaskar eine gemeinsame Party auszurichten. Die Zeit drängt, vor Sonnenuntergang muss alles erledigt sein. Die kleine Sanduhr rieselt unaufhörlich.
„Gelebte Inklusion und Teilhabe“
Vereinschefin Zeller denkt Inklusion bis zum Ende. Der Verein lädt zu seinen regelmäßigen Spielerunden Jung und Alt ein. „Versierte Strategen sind genauso willkommen wie Gelegenheitsspieler oder Neugierige“, betont die hauptberufliche Buchhalterin. Bei ihrem Vereinsfundes mit über 1.000 Spielen fällt ihr allerdings mal auf: „Es gibt wenig coole Spiele für Menschen mit Behinderung.“ So kommt sie auf die Idee, ein Gesellschaftsspiel mit Menschen zu entwickeln, die selbst mit körperlichen Beeinträchtigungen oder Lernschwierigkeiten leben. Vier Frauen und ein Mann im Alter von 18 bis 60 Jahren tüfteln ausdauernd an ihrer Idee. Dass sich die Spieleentwickler selbst ihr Thema raussuchen können, waren sie überhaupt nicht gewohnt, erinnert sich die Dettingerin. So bekommt das Spiel den Titel „Jahu Safari – Zwei Tierwelten – gemeinsam sind wir stark“. Es entsteht in den Workshoprunden ein Säckchen, aus dem die Zutaten für die Party gezogen werden. „Das war der beste Workshop ever“, schwärmt Zeller noch heute. Andere zeichnen Tiere, die dann als Spielfiguren realisiert werden. Der letzte gestalterische Schliff kommt vom Künstler Achim Potempa. „Die Menschen mit Behinderung waren die Macher, das war für die Beteiligten das Spannendste.“ Seit 2023 gibt es das fertige Spiel mit einer Erstauflage von 1.000 Exemplaren.
Ein besonderer Messeebesuch
Für FritZel’s Spielerei war das Projekt damit nicht abgeschlossen. Zeller will sich als Erstaussteller von der Spieler-Community Rückmeldung auf der SPIEL 2024 einholen. Es sei wichtig, die große Gemeinschaft der Analogspieler auf die Bedürfnisse und das Können von Menschen mit Behinderung aufmerksam zu machen. Ihr Fazit: „Dies ist uns mit Jahu Safari gelungen. Unser Spiel hat auch Einzug bei manchen Familien und auch Ludotheken gehalten.“ Besonders interessant ist das durchgängig inklusive Jahu Safari für Einrichtungen, die mit Menschen mit Behinderung zu tun haben. Auch bei der Messepräsenz geht Zeller neue Wege. Erstmals habe es dank Spenden einen inklusiven Messestand mit den behinderten Spielemachern gegeben. „Das war meines Wissens das erste Mal auf der SPIEL.“ Der Aufwand war mit Anreise und Begleitern ein riesiger Aufwand. Doch das gesamte Team war auf der Messe begeistert und bekam viel positives Feedback.
Fortsetzung folgt 2025
„Solche Projekte wie Jahu Safari sind gelebte Inklusion und Teilhabe.“ Deshalb plant FritZel’s Spielerei für das nächste Jahr als Folgeprojekt ein weiteres Spiel. Schon jetzt sind die inklusiven Spielemacher begeistert und wollen sich auch in der nächsten Runde unbedingt weiterhin bei der Spieleentwicklung einbringen. Für Zeller sollen solche Projekte auch eine Signalwirkung entfalten und andere Menschen dazu ermutigen, auch ein solches Projekt durchzuführen. „Es ist für alle ein Gewinn, Menschen mit Behinderung am gestalterischen Prozess von analogen Spielen teilhaben zu lassen.“
Über den Autor
Thomas Tjiang freier Wirtschafts- und Lokaljournalist, Referent und Kommunikationsberater. Seit Anfang der 1990er Jahre hat er für alle Medientypen, wie Tages- und Monatspresse, Hörfunk, TV, Nachrichtenagentur und Online-Redaktionen gearbeitet. Der Literatur- und Kommunikationswissenschaftler lebt seit über 30 Jahren in Nürnberg.