SPIEL Essen zeigte Neuheiten aus aller Welt
Von Peter Neugebauer
Die Internationalität wächst und wächst. In 2023 haben Hersteller aus 56 Ländern den Weg ins Ruhrgebiet nach Essen gefunden, so viele wie nie zuvor. Bei manchen dieser Spiele gibt es deutsche Vertriebspartner oder Lizenznehmer. Etliche andere hoffen auf der Messe im persönlichen Gespräch Kontakte zu knüpfen, damit die Spiele am hiesigen Markt angeboten werden. Wie es die Vergangenheit gezeigt hat, gelingt das gut.
Technik und Fantasy
Scorpion Masqué kommt aus Kanada. Mit „Sky Team“ haben sie eine Flugsimulation im Gepäck. Zwei Spieler schlüpfen in die Rollen von Pilot und Kopilot. Aufgabe ist es, einen Flieger sicher zu landen. Dabei muss auf etliche Aspekte wie Drosselung der Geschwindigkeit, Ausfahren der Landeklappen u.v.m. geachtet werden. Mit Würfelwerten, die eingesetzt werden, versuchen beide Spieler, den Flieger im Gleichgewicht zu halten. Dabei darf, und das ist der Clou, nicht gesprochen werden. Und natürlich wird hier nicht gegeneinander, sondern miteinander gespielt. Sonst macht es keinen Sinn.
Die Belgier von Repos lassen einen „Waterfall Park“ bauen. Auf einer Insel wird ein quietschbunter Freizeitpark errichtet. Grundflächen müssen erworben, Attraktionen gestaltet und zahlende Besucher angelockt werden. Jeder verhandelt mit jedem und mit allem. Absprachen können getroffen werden. Sie sollten meistens eingehalten werden. Das ist aber nicht immer so, denn die anderen Spieler sind Mitbewerber um die besten „Stücke“ in diesem turbulenten Themenpark. Letztendlich wird ein Wirtschaftsspiel gespielt. Verhandlungsgeschick ist gefragt. Asmodee hat den deutschen Vertrieb.
Auch in Chile gibt es moderne Brettspiele. „Sea Dragons“ von Fractal Juegos spielt in einem unbekannten Ozean, in dem jeder Präsenz zeigen und Eindringlinge mit Drachenangriffen besiegen will. Sinken die Piratenschiffe, gilt es, ihre Schätze zu horten. So steigen die Spieler zu Beschützern des Reichs auf. Mittels Karten wird die Anwesenheit in vier Gebieten der geheimen See arrangiert, immer auf der Lauer, um neue Piratenflotten zu bekämpfen. Aber auch den anderen Drachen können Schätze geklaut werden. Keiner darf zimperlich sein, um im Kampf der Seedrachen zu obsiegen.
Wer hätte gedacht, beim Verzehr schmackhafter Sushi-Röllchen von Albträumen geplagt zu werden? Good Spirit Games aus Singapur macht es in „Nightmares of Sushi“ möglich. Als Sushi-Liebhaber ereilen die Spieler unterschiedliche Träume. Sie können süß aber auch schaurig-feurig daherkommen. Geträumt wird von leckeren Sushi-Kreationen, die die Mitspieler auftischen. Keiner weiß, wer kräftig mit Wasabi würzt. Da immer die Angebote der Mitspieler gewählt werden, kommt der Aktive nur mit Intuition weiter, wer wem den Geschmack versalzen möchte.
Fauna und Flora
In Italien ist DV Games ansässig. Die Neuheit „Bonsai“ ist ein Wohlfühlspiel. Mit einem Drafting-Mechanismus zieht der Zugspieler eine Karte aus der gemeinsamen Auslage und erhält dafür Früchte, Blüten oder Blätter. Damit wird dann an einem eigenen Bonsai-Bäumchen gewerkelt. Dieses wächst und gedeiht und nimmt bei jedem andere Formen an. Das sieht nicht nur hübsch aus, entscheidet auch über Sieg und Niederlage. Geschickte Spieler investieren in Gießkannen, die das Wachstum beschleunigen. Keiner tut einem Mitspieler weh und jeder erfreut sich an den gefälligen Auslagen aller.
Die USA trumpfen mit Pandasaurus Games auf. Ihr ungewöhnliches Thema ist „The Fox Experiment“. Tatsächlich züchtet jeder seine eigenen Tiere. Ein Elternpaar wird ausgesucht und deren Merkmale optimiert. Das geschieht durch einen Würfelmechanismus. Je nach Erfolg erhalten die Welpen Marker, die die elterlichen Gene aufgreifen. Ziel ist es, in fünf Runden die Tiere zu domestizieren, dass die Füchse sich immer mehr dem Menschen anpassen und weniger aggressiv werden. Das ist ein sehr ungewöhnliches Thema und reizt schon deshalb.
„Whale to look“ vom japanischen Anbieter mit deutscher Niederlassung Oink Games thematisiert die beliebte Touristenattraktion Whale-Watching. Die Spieler bieten Boote für mehrere Gäste. Mit ihnen geht es hinaus in die Bucht. Die Tiere tauchen aber nie vorhersehbar auf. Ein Blick auf die Fischgründe ist nützlich. Gute Recherche oder Beobachtung der Konkurrenz können hilfreich sein. Werden die Meeressäuger gesichtet, gibt es Punkte für die Touri-Boote in nächster Nähe und die Spieler lassen ein „Guck Wal“ verlauten. Überzeugend ist wie bei allen Oinks die kompakte Schachtel.
Bei Trefl in Polen ist die Idee zum Bergwandern spielerisch gereift. Es sind „Five Peaks“, die erklommen werden müssen. Unterwegs werden Beeren und Pilze eingesammelt, hehres Ziel sind aber die Aussichtspunkte mit Panoramablick in die herbstlich-bunte Natur. Mittels Karten geht es voran. Sie dienen nicht nur der Bewegung, sondern erlauben eine Vielzahl an Aktionen. Es will gut überlegt sein, wie sie eingesetzt werden. Der Grundstock an Startkarten wird während des Spiels erhöht, so dass das Wandern stets effizienter gelingt und schließlich alle fünf Gipfel gemeistert werden können.
Vergangenheit und Zukunft
Die Game Factory aus der Schweiz schafft mit „Trekking – Reise durch die Zeit“ Aufmerksamkeit. 5000 Jahre Menschheitsgeschichte wird beleuchtet. Die Spieler sammeln Ereignisse aus allen Epochen in chronologischer Reihenfolge. Dabei werden sie bisweilen durch Bonusplättchen vom sicheren Pfad gelockt. Dann beginnt die Reise von vorne. Hoffentlich haben die Vorteile genutzt. In drei Etappen wird immer wieder aufs Neue in die Vergangenheit zurückgeblickt. Interessant ist der Mechanismus, bei dem mit Zeit bezahlt wird. Häufig verrinnen die Stunden wie Sand in den Händen.
Der spanische Hersteller Devir mausert sich am heimischen Markt und zunehmend europaweit. Das liegt auch an ungewöhnlichen Themen. Aktuell wird „Ierusalem“ verspielt. Die Zeitenwende steht auf dem Programm. Der historische Jesus wirkt in die brodelnde Zeit der römischen Besatzer in Galiläa. Neue Ideen wie Nächstenliebe oder das Reden in Gleichnissen hat bei diesem Szenario Bedeutung. Die Anhänger scharen sich um den angesagten Heilsbringer und wollen beim letzten Abendmahl nah an seiner Seite sitzen. Das mutige Thema wird mit Anspruch verspielt.
Der aus Südkorea stammende Verlag Mandoo fordert mit „Jekyll & Hyde vs Scotland Yard“ zwei Spieler gleich mit einer doppelten Aufgabe. Zunächst muss der eigene Charakter im Gleichgewicht gehalten werden. Das Böse darf nicht die Überhand gewinnen. Und dann ist die britische Polizei auf den Spuren des abgrundschlechten Mr. Hyde. Der Zugriff durch Scotland Yard muss verhindert werden. Diesem Unterfangen stellen sich zwei in einer kooperativen Aufgabe, um beiden Ansprüchen zu genügen. Das Ganze ist als Kampagnenspiel angelegt. Nice Games hat die lokalisierte Ausgabe.
Der französische Verlag Catch Up Games mit deutschem Vertrieb durch Pegasus verspielt in „After Us“ ein dystopisches Szenario. Die Menschheit ist zerstört. Alle ihre Errungenschaften werden von der Natur überwuchert. Jetzt treten Affen auf den Plan und bedienen sich der Hinterlassenschaften. Ein Wettlauf verschiedener Stämme beginnt, um Ressourcen zu gewinnen und durch Deckbau weitere Primaten zu rekrutieren. Es ist ein Kampf um die beste KI, was hier nicht künstliche, sondern kollektive Intelligenz bedeutet.
SPIEL Essen vom 3 bis 6. Oktober 2024
Auf der SPIEL Essen kommt die ganze Spiele-Welt zusammen!
Die SPIEL Essen ist die weltweit größte Publikumsmesse für Brettspiele. Sie bringt im Herzen des Ruhrgebiets leidenschaftliche Spiele-Fans mit nationalen und internationalen Ausstellern zusammen. Auf der Messe, die zur Spielwarenmesse eG gehört, entdecken Vielspieler und Familien die Neuheiten aus aller Welt, genießen das Miteinander und spielen so viel sie wollen. Denn das Spielen steht auf der SPIEL im Mittelpunkt.
Tausende von Neuerscheinungen, die in der Stadt Essen zum ersten Mal gezeigt und auch verkauft werden, warten auf Sie. Erklärer helfen dabei, direkt loszuspielen, Autoren signieren ihre Werke und freuen sich, ihre Fans zu treffen.
Die nächste SPIEL Essen findet vom 3. bis 6. Oktober 2024 statt.
Über den Autor
Peter Neugebauer ist ein „Spielkind“ durch und durch. In früher Kindheit wurde er durch seine Eltern ans Brettspiel herangeführt. Spiele als Weihnachts- oder Geburtstagsgeschenk waren obligatorisch und stets gern gesehen. Er hörte auch während des Studiums oder während seiner Berufsjahre nicht auf zu spielen. Schon früh rezensierte er Neuheiten, zunächst in reinen Fachzeitschriften, dann auch in Tageszeitungen und seit fast 40 Jahren in Branchenmagazinen. Ohne Spielen geht’s bei ihm nicht.