Spielwarenmesse 2024: Nachschub für Spielebegeisterte
Internationale Verlage stellten ihre Spieleneuheiten in Nürnberg vor
Von Peter Neugebauer
Es überrascht immer aufs Neue, wie vielfältig die Welt der Brett- und Kartenspiele ist. Neben den traditionellen Multiplayern ist auffällig, dass viele Klein- und Kleinstverlage mit neuen Ideen aufwarten. Allesamt sind professionell aufbereitet. Häufig sind es andere Mechanismen und ungewohnte Themen, die deren Markenzeichen sind. Man könnte meinen, dass die Etablierten es sich nicht zutrauen, Sanduhren als Spielfiguren zu verwenden, einem Totengräber bei seiner Arbeit zuzusehen, und vieles mehr.
Was Kindern Spaß macht
Jack and the Beanstalk von Granna, Polen
Kinder mögen Geschichten. Der polnische Hersteller Granna hat das verstanden und sein neues Spiel in ein spannendes Abenteuer verpackt. In „Jack and the Beanstalk“ wird ein Bohnenstrauch gepflanzt. Der rankt in den Himmel zu einem sagenumwobenen Schloss. Dort gibt es ein Huhn, das goldene Eier legt. Ein mächtiger Riese bewacht diese Märchenwelt. Es ist nun Jacks Aufgabe, den starken Beschützer zu überlisten und mit möglichst vielen Goldeiern zu entkommen. Mit einem Kartenaufdeck-Mechanismus wird dem Riesen ein Schnippchen geschlagen. Wer allerdings zu gierig ist, verliert.
Traffic Game von Tactic, Finnland
In ihrer Lernspielreihe „let’s learn“ hat Tactic aus Finnland neu das „Traffic Game“ aufgelegt. Kindern soll spielerisch der Straßenverkehr nähergebracht werden. Dieses wertvolle edukative Anliegen wird nicht allzu häufig verspielt. Von der Schule nach Hause müssen die Kinder ihren Weg klug wählen. Dabei kommt es auch auf das richtige Verkehrsmittel an. Und die Verkehrszeichen können ebenfalls gelernt werden. Da diese flexibel auf dem Stadtplan verteilt werden können, ist der Ablauf jedes Mal etwas anders und der Spielwert bleibt erhalten.
Spiel mit Karten
Quiz Wiz von Brain Games, Lettland
Aus Lettland kommt Brain Games. 2017 konnte der Verlag mit seinem deutschen Partner Amigo für Furore sorgen, als „Ice Cool“ zum Kinderspiel des Jahres gekürt wurde. Jetzt haben die Letten mit „Quiz Wiz“ eine neuartige Spiel-Idee entwickelt. Kooperativ gehen die Spieler ans Werk. Es gibt Fragen zur Geographie, Geschichte, Pop-Kultur, uvm. der Staaten dieser Welt. Die Antwort wird immer mit einer Länder-Karte gegeben. Durch differenzierte Impulse steigert sich der Anspruch, so dass Gesprächs- und Wissensaustausch in der Raterunde gefordert wird.
Fanion von Game Division, Schweiz
In der Schweiz ist der noch recht junge Verlag Game Division ansässig. Sein Konzept beruht auf stylisch illustrierten Spielkarten. So sind auch die Kartenbilder im neuen „Fanion“ ein ästhetischer Genuss. In doppelter Farbgebung schlängeln sich bunte Bänder über die Bildseite der Karten. Beim Spielrhythmus wird auf einen bewährten Mix zurückgegriffen, der allerdings sehr wohl variiert wird. Handkarten dürfen nur bei farbiger Übereinstimmung abgelegt werden. Mehrfaches Legen ist erlaubt. Ziel ist es, als erster seine komplette Hand leergespielt zu haben.
Strato von Helvetig, Schweiz
Ebenfalls in der Schweiz ist der internationale Publisher Helvetiq ansässig. Das Programm listet viele Kartenspiele, bisweilen in einer Minibox nicht größer als eine Zigarettenschachtel. „Strato“ ist eine 2024 Neuheit. Die Herausforderungen der Elemente in der Stratosphäre werden zunehmend komplexer. Nur in gemeinschaftlicher Kooperation kann die Spielergruppe den Bedingungen trotzen. Das muss so gemanagt werden, dass die Handkarten nicht ausgehen. Wenn Winde wehen, Wolken aufziehen und die Sonne durchbricht, ist das ein ungewöhnliches Themenszenario.
Pfiffige Ideen
Medieval von Albi, Tschechien
Der tschechische Verlag Albi ist in Deutschland durch seine „Karak“-Spielelinie bei Kosmos bekannt. Jetzt trumpft er mit einem historischen Spiel, tief verwurzelt in der eigenen Geschichte auf. In „Medieval“ werden die Machenschaften im späten Mittelalter in Böhmen nachgestellt. Die Anführer streifen bewaffnet durch die Lande, belagern Burgen, helfen Mönchen oder treiben auch ihre neckischen Spielchen in den Tavernen jener Zeit. Aber wahllos marodierend darf keiner vorgehen, denn ein implementiertes, kartengesteuertes Moral-System widerspricht bisweilen geplantem Vorhaben.
Unmatched Adventures – Tales of Amaze von iello, Frankreich
Sehr erfolgreich hat iello aus Frankreich seine „Unmatched“-Reihe platziert. Es sind stets ungleiche Gegner aus völlig verschiedenen Welten, die sich mit ihren Mitteln bekämpfen. So ist es der Reiz des Unmöglichen, wenn beispielsweise der Entfesselungskünstler Houdini gegen den Märchencharakter Dschinn antritt. Nun dreht sich die Grundidee um. In „Unmatched Adventures – Tales of Amaze“ kooperieren alle gemeinsam gegen das Spielsystem. Ein ungenannter Bösewicht und seine fiesen Schergen streiten gegen das Gute und es ist keinesfalls gesichert, dass die Guten immer gewinnen.
Quicksand von Horrible Guild, Italien
Aus Italien kommt Horrible Guild. Der Verlag überzeugt mit einem recht neuartigen, ungewöhnlichen Mechanismus. Bei „Quicksand“ müssen Sanduhren im „Betrieb“ bleiben. Die Spielgruppe spielt zusammen. Karten werden gelegt und bewegen einen bestimmten Timer vorwärts. Dabei wird dieser gekippt und dadurch das Verhältnis des fließenden Sandes umgekehrt. Das Geheimnis ist, nie zu früh aber ebenfalls nicht zu spät eine Sanduhr zu bewegen. Das ist von den Handkarten abhängig aber auch vom guten Timing aller Mitspieler.
Partytime ist Spielezeit
Dumb questions to ask your friends von Big Potato Games, UK
Big Potato Games aus UK ist spezialisiert auf Party-Spiele. Manche davon haben den deutschen Markt erreicht wie jüngst noch „Colour Brain“ bei Game Factory. In der Neuheit „Dumb questions to ask your friends“ dreht sich alles um die Neugierde, interessante Antworten aus seinen besten Freunden herauszukitzeln. Eine Kategorie wird vorgegeben, z.B., welche berühmte Stimme man selbst gerne als Sprecher des Navis im Auto hätte. Aus mehreren Antworten muss dann die richtige erahnt werden. Gerade bei den nicht korrekten Antworten wird es garantiert Nachfragen geben.
Vip RIP von Nice Game, Deutschland
Hierzulande, in Bonn, ist Nice Game ansässig. Als kleiner Nischen-Verlag setzen die Macher konsequent auch auf skurrile Themen. In „Vip RIP“ ist die poetische Totengräberin Aurora unterwegs. Die Spieler schlüpfen abwechselnd in ihre Rolle. Sie ordnet auf dem Friedhof verschiedenen Toten drei Grabinschriften zu. Die restliche Spielgruppe muss herausfiltern, ob z.B. ein Spruch wie „Einer für alle und alle für Einen“ besser zu Batman, Mickey Maus, Sherlock Holmes oder zu einem anderen Toten passt. Nach der Auflösung, vor allem wenn sie nicht stimmte, beginnt die Diskussion.
Über den Autor
Peter Neugebauer ist ein „Spielkind“ durch und durch. In früher Kindheit wurde er durch seine Eltern ans Brettspiel herangeführt. Spiele als Weihnachts- oder Geburtstagsgeschenk waren obligatorisch und stets gern gesehen. Er hörte auch während des Studiums oder während seiner Berufsjahre nicht auf zu spielen. Schon früh rezensierte er Neuheiten, zunächst in reinen Fachzeitschriften, dann auch in Tageszeitungen und seit fast 40 Jahren in Branchenmagazinen. Ohne Spielen geht’s bei ihm nicht.